Antibiotikaresistenzen: Welche Rolle spielt die Umwelt?
Antibiotika werden zur Behandlung von bakteriellen Infektionen bei Menschen und Tieren eingesetzt. Antibiotika, die zum Beispiel über Abwasser oder Gülle in die Umwelt gelangen, können die Entstehung und Ausbreitung antibiotikaresistenter Bakterien fördern.
Auf einen Blick
- Bakterien können von Natur aus unempfindlich gegenüber bestimmten Antibiotika sein oder Antibiotikaresistenzen erwerben.
- Antibiotika können zum Beispiel aus der Tierhaltung oder aus Kliniken in die Umwelt gelangen.
- In der Umwelt können Antibiotika die Entstehung von Resistenzen fördern.
- Kläranlagen bieten eine gute Umgebung, in der Bakterien ihre Resistenzgene an bis dahin nicht resistente Bakterien weitergeben können.
- Wenn eine Infektion mit resistenten Bakterien vorliegt, ist eine Behandlung meist schwierig.
- Um Resistenzen zu vermeiden, ist ein bewusster und verantwortungsvoller Umgang mit Antibiotika in allen Bereichen wichtig.
Was sind Antibiotikaresistenzen?
Antibiotika werden zur Behandlung von bakteriellen Infektionserkrankungen bei Menschen und Tieren eingesetzt. Sie hemmen oder töten krankmachende Bakterien und unterstützen so eine Genesung. Sind die Bakterien gegen Antibiotika resistent, also unempfindlich, ist eine wirksame Behandlung meist schwierig. Vor allem multiresistente Bakterien – also solche, die gleich gegen mehrere Antibiotikaklassen unempfindlich sind – stellen dabei ein besonders großes Problem dar.
Bei einer Behandlung mit einem Antibiotikum können sich die resistenten Bakterien weiterhin vermehren, während nicht resistente – und zum Teil nützliche – Bakterien abgetötet werden. Somit haben antibiotikaresistente Bakterien einen Überlebensvorteil gegenüber nicht resistenten Bakterien. Dadurch kann ein Ungleichgewicht in der natürlichen Bakteriengemeinschaft entstehen.
Einige Bakterienarten sind von Natur aus resistent gegen bestimmte Antibiotika. Es gibt jedoch auch viele Bakterien, die im Lauf der Jahre gegen zuvor wirksame Antibiotika unempfindlich geworden sind. Das geschieht vor allem dann, wenn Antibiotika zu häufig, unnötigerweise oder nicht nach den ärztlichen Vorgaben eingenommen werden.
Wenn Antibiotika in die Umwelt gelangen, zum Beispiel über die Kanalisation oder die Landwirtschaft, kann auch das die Resistenzentwicklung fördern.
Wie gelangen Antibiotika in die Umwelt?
Über Mensch und Tier in die Umwelt
Antibiotika werden im Körper von Menschen und Tieren nur unvollständig vom Stoffwechsel verarbeitet. Daher werden sie teilweise wieder ausgeschieden, manche Antibiotika sogar zu bis zu 90 Prozent.
Antibiotika, deren Rückstände und antibiotikaresistente Bakterien können vor allem über Ausscheidungen von Mensch und Tier in die Umwelt gelangen. Das geschieht insbesondere durch das Ausbringen von Gülle, Klärschlamm oder Gärresten aus Biogasanlagen auf Felder oder über Abwässer aus kommunalen Kläranlagen oder Gesundheitseinrichtungen, wie zum Beispiel Krankenhäusern.
Antibiotikarückstände können mit dem Abwasser in die Kanalisation und von dort aus in die Kläranlagen gelangen. Die meisten Kläranlagen sind bislang nicht in der Lage, sogenannte Mikroverunreinigungen und damit auch Antibiotika vollständig zurückzuhalten. Die Antibiotikarückstände können so in den Klärschlamm gelangen, der häufig auf Felder ausgebracht wird. Sie können auch in Abwässern landen, die zum Teil in Seen und Flüsse gelangen.
Aus der landwirtschaftlichen Tierhaltung geraten ebenfalls Antibiotikarückstände in die Umwelt. Von den behandelten Tieren gelangen die Antibiotikarückstände entweder direkt über die Ausscheidungen der Tiere in Freilandhaltung oder über Gülle und Dung auf Felder, Wiesen und in Gewässer. Von dort können sie auch ins Grundwasser übergehen.
Antibiotika finden sich jedoch vorrangig in Oberflächenwasser und seltener im Grundwasser. Bei der Trinkwasseraufbereitung aus Grundwasser wird außerdem dafür gesorgt, dass Antibiotikarückstände – und auch Bakterien – entfernt werden. Es besteht also kein Grund zur Sorge um die Trinkwasserqualität.
Aus der Produktion in die Umwelt
In einigen Ländern, beispielsweise in Indien, enthalten die Abwässer von Produktionsstätten oft große Mengen Antibiotika, die somit in die Umwelt gelangen. Produktionsstätten sind dort also ein wesentlicher Mitverursacher von Antibiotika-Vorkommen in Wasser und Böden. Für Deutschland spielt dieser Eintragungsweg hingegen keine wesentliche Rolle.
Aus dem Ausland nach Deutschland
In vielen Ländern ist der Antibiotikaverbrauch deutlich höher als in Deutschland. Dies trägt dazu bei, dass es dort mehr resistente und multiresistente Bakterien gibt als in Deutschland.
Durch die Globalisierung und (Fern)reisen können antibiotikaresistente Bakterien aus Ländern mit höheren Resistenzraten nach Deutschland eingeschleppt werden. Beispielsweise in Süd- und Südostasien sind resistente und multiresistente Bakterien weit verbreitet und somit ist das Risiko hoch, dort solche Bakterien aufzunehmen und mit zurückzubringen. Etwa 70 Prozent der Reiserückkehrer aus Ländern wie Indien und Laos tragen multiresistente Keime in sich.
Was geschieht, wenn Antibiotika in die Umwelt gelangen?
Die Antibiotika, die in die Umwelt gelangt sind, hemmen dort die empfindlichen Bakterien und fördern gleichzeitig die Bildung neuer Resistenzen. Denn resistente Bakterien haben unter der Einwirkung von Antibiotika einen deutlichen Überlebensvorteil gegenüber empfindlichen Bakterien. Für diese Entwicklung reichen schon geringe Konzentrationen an Antibiotika.
Zusätzlich können die bereits unempfindlichen Bakterien ihre Resistenzgene auf ihre bis dahin noch empfindlichen Artgenossen übertragen. Das gelingt in Kläranlagenabwasser, Klärschlamm und Gülle besonders gut, da die Bakteriendichte dort hoch ist und diese Umgebung zudem ein gutes Nährstoffangebot für die Bakterien bietet. Werden Klärschlamm oder Gülle auf Felder ausgebracht und Kläranlagenabwasser in Gewässer geleitet, können auch die dort lebenden Umweltbakterien Resistenzen erlangen. So besteht die Gefahr, dass immer mehr Umweltbakterien unempfindlich gegenüber Antibiotika werden.
Wie gelangen die Bakterien aus der Umwelt auf den Menschen?
Generell spielt die Übertragung von resistenten Bakterien aus der Umwelt auf den Menschen eher eine untergeordnete Rolle. Die meisten Übertragungen finden nicht von der Umwelt auf den Menschen, sondern von Mensch zu Mensch, Tier zu Tier oder zwischen Tier und Mensch statt – vor allem in Kliniken, Pflegeeinrichtungen und in der Tierhaltung.
Eine Übertragung von Bakterien aus der Umwelt auf den Menschen – egal ob resistent oder nicht resistent – ist aber prinzipiell überall dort möglich, wo es Kontakt mit stark verunreinigtem Wasser oder Boden gibt. Das ist beispielsweise der Fall, wenn man in Gewässern mit schlechter Wasserqualität badet oder ungewaschene Lebensmittel isst, die mit verunreinigtem Wasser beregnet wurden, wie etwa Salat.
Insgesamt ist es eher unwahrscheinlich, dass man so viele Bakterien aufnimmt, dass es für eine Infektion reicht. Dafür sind meist sehr hohe Bakterienzahlen nötig. Beim Baden in Gewässern mit guter oder ausgezeichneter Qualität brauchen sich gesunde Personen in der Regel keine Sorgen zu machen.
Zudem ist es so, dass Umweltbakterien meist keine Krankheitserreger sind. Das heißt: selbst wenn sie einen Menschen besiedeln, machen sie ihn nicht krank. Unter bestimmten Umständen können diese Bakterien jedoch ein Problem darstellen: Wird zum Beispiel der Darm mit resistenten Bakterien aus der Umwelt besiedelt, können sie dort die Antibiotikaresistenzgene an Darmbakterien weitergeben. Bei Menschen mit einem geschwächten Immunsystem können diese Darmbakterien dann eine Infektion hervorrufen, deren Behandlung aufgrund der Antibiotikaresistenz erschwert sein kann. Um sich davor zu schützen, kann man beispielsweise auf das Baden in freien Gewässern verzichten.
Was ist das Mikrobiom?
Erfahren Sie in diesem Video mehr über das Mikrobiom und seine Funktionen im menschlichen Körper.
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Wie kann man Lebensmittelinfektionen vorbeugen?
Das folgende Video erklärt, was man tun kann, um eine Lebensmittelinfektion zu vermeiden.
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Was wird gegen die Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen unternommen?
One Health
Beim Kampf gegen Antibiotikaresistenzen ist der „One Health”-Ansatz zentral, denn die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt sind eng miteinander verknüpft: Es gibt also nur eine Gesundheit (Englisch: „one health”) und diese lässt sich nicht für unterschiedliche Bereiche trennen. Krankheitserreger kennen keine Grenzen und können sich zwischen Mensch, Tier und Umwelt verbreiten.
Maßnahmen zur Vermeidung von Antibiotikaresistenzen müssen daher sowohl in der Human- und Tiermedizin als auch in der Landwirtschaft und im Umweltbereich ansetzen. Neben der Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen ist der One Health-Ansatz auch in anderen Bereichen wichtig, wie zum Beispiel bei der Eindämmung von Zoonosen. Mehr als die Hälfte aller bekannten Krankheitserreger sind sogenannte Zoonose-Erreger. Das bedeutet, dass diese Erreger zwischen Tieren und Menschen übertragen werden können.
Antibiotika-Resistenz-Strategie
Zur Bekämpfung der zunehmenden Antibiotikaresistenzen wurden bereits Strategien entwickelt, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Übergeordnet steht der „Globale Aktionsplan zur Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen“ der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der auf nationaler Ebene mit der Deutschen Antibiotika-Resistenzstrategie (DART) umgesetzt wird. Sie sieht unter anderem eine Überwachung und Aufzeichnung des Antibiotikaverbrauchs und der Resistenzen vor, außerdem Maßnahmen zur Infektionsprävention und zum sachgerechten Antibiotikaeinsatz sowie verstärkte Forschungsaktivitäten. Gemäß dem One Health-Ansatz setzen diese Maßnahmen sowohl in der Human- als auch der Tiermedizin an.
In der Tiermedizin konnten schon deutliche Erfolge erzielt werden. Die Menge der in der Landwirtschaft verwendeten Antibiotika wurde stark reduziert: Von 2011 bis 2019 ist sie um gut 60 Prozent zurückgegangen. Auch in der Humanmedizin setzen Ärztinnen und Ärzte inzwischen weniger Antibiotika ein: Im ambulanten Bereich konnte der Antibiotikaeinsatz zwischen 2010 und 2018 um etwa ein Fünftel reduziert werden. Wenn weniger Antibiotika eingesetzt werden, gelangen auch weniger in die Umwelt.
Verbesserungen der Kläranlagentechnik
Zudem gibt es Bestrebungen, die Kläranlagentechnik zu verbessern, sodass auch Antibiotikarückstände herausgefiltert werden können. Wirksame Methoden dafür sind bereits bekannt, zum Beispiel können viele Antibiotikawirkstoffe mithilfe von Ozon und Aktivkohle entfernt werden.
Jeder kann etwas tun
Um sich nicht mit Bakterien aus der Umwelt zu infizieren, können Sie darauf achten, nur in freigegebenen Gewässern mit guter Wasserqualität zu baden. Außerdem hilft eine gute Küchenhygiene beim Schutz vor Infektionen, indem Sie zum Beispiel Gemüse und Obst vor dem Verzehr gründlich abwaschen.
Wie man selbst dazu beitragen kann, dass insgesamt weniger neue antibiotikaresistente Erreger entstehen, lesen Sie im Artikel Antibiotikaresistenzen.
- Adler N, Balzer F et al. Antibiotika und Antibiotikaresistenzen in der Umwelt: Hintergrund, Herausforderungen und Handlungsempfehlungen. Umweltbundesamt. 11.2018.
- Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. Abgabe an Antibiotika in der Tiermedizin sinkt weiter. Aufgerufen am 22.04.2021.
- Bundesregierung. DART 2020: Antibiotika-Resistenzen bekämpfen zum Wohl von Mensch und Tier. 1. Auflage. Mai 2015.
- D’Souza AW, Boolchandani M, Patel S et al. Destination shapes antibiotic resistance gene acquisitions, abundance increases, and diversity changes in Dutch travelers. Genome Medicine 2021. 13: 79. doi: 10.1186/s13073-021-00893-z.
- Holstiege J, Schulz M, Akmatov MK et al. Rückgang der ambulanten Antibiotika-Verordnungen. Deutsches Ärzteblatt 2020. 117: 679-686.
- Kantele A, Kuenzli E, Dunn SJ et al. Dynamics of intestinal multidrug-resistant bacteria colonisation contracted by visitors to a high-endemic setting: a prospective, daily, real-time sampling study. The Lancet 2021. 2: e151-158. doi: 10.1016/S2666-5247(20)30224-X.
- Westphal-Settele K, Konradi S, Balzer F et al. Die Umwelt als Reservoir für Antibiotikaresistenzen. Bundesgesundheitsblatt 2018. 61: 533-542.
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