Antibiotikaresistenzen: Wenn die Medizin gegen Bakterien machtlos wird

Antibiotika sind für die moderne Medizin unverzichtbar. Immer mehr Bakterien werden jedoch unempfindlich gegen Antibiotika. Solche Resistenzen können leichter entstehen, wenn Antibiotika falsch verwendet werden.

Auf einen Blick

  • Antibiotika werden zur Behandlung von bakteriellen Infektionen eingesetzt.
  • Manche Bakterien sind von Natur aus unempfindlich gegenüber bestimmten Antibiotika, andere entwickeln Antibiotikaresistenzen mit der Zeit.
  • Resistenzen entstehen vermehrt dann, wenn Antibiotika zu häufig oder nicht nach den ärztlichen Vorgaben angewendet werden.
  • Ein bekanntes Beispiel für antibiotikaresistente Bakterien ist MRSA.
  • Allgemeine Regelungen zum Antibiotikaeinsatz, aber auch der eigene verantwortungsvolle Umgang können dazu beitragen, die Wirksamkeit von Antibiotika zu bewahren.

Hinweis: Die Informationen dieses Artikels können und sollen einen Arztbesuch nicht ersetzen und dürfen nicht zur Selbstdiagnostik oder -behandlung verwendet werden.

Eine junge Frau in häuslicher Umgebung betrachtet einige Tabletten, die auf ihrer linken Handfläche liegen. In der rechten Hand hält sie ein Wasserglas.

Was sind Antibiotika und Antibiotikaresistenzen?

Antibiotika sind Medikamente, die gegen Bakterien wirken. Sie können zur Behandlung von bakteriellen Infektionen eingesetzt werden. Gegen Viren sind Antibiotika nicht wirksam. 

Werden Antibiotika zu häufig, unnötigerweise oder nicht nach den ärztlichen Vorgaben eingenommen, können Bakterien unempfindlich gegen sie werden. Die Antibiotika wirken dann nicht mehr gegen diese Bakterien. In diesem Fall spricht man von einer Antibiotikaresistenz. 

Manche Bakterien sind inzwischen resistent gegen gängige Antibiotika, einige von ihnen sind sogar „multiresistent“. Das bedeutet, dass sie gegen gleich mehrere Antibiotikaklassen unempfindlich sind. Solche „Superbugs“ können gefährlich werden: Gibt es gegen sie keine wirksamen Mittel mehr, können durch sie verursachte Infektionskrankheiten nicht mehr gut behandelt werden. Es kann dann zu einer ähnlichen Situation wie vor der Entdeckung der Antibiotika kommen. 

Um eine weitere Entstehung und Ausbreitung von antibiotikaresistenten Bakterien zu verhindern, ist es bei der Behandlung von Infektionskrankheiten beispielsweise wichtig, zwischen viralen und bakteriellen Ursachen zu unterscheiden. Zur Unterscheidung zwischen Viren und Bakterien können Ärztinnen und Ärzte unter anderem auf Labor- oder Schnelltests zurückgreifen. Nur bei einer bakteriellen Infektion ist die Gabe eines Antibiotikums sinnvoll. Aber auch nicht bei jeder durch Bakterien ausgelösten Infektion müssen Antibiotika eingenommen werden.

Wann werden Antibiotika eingesetzt und wie wirken sie?

Einsatzgebiete

Nicht nur in der Human-, sondern auch in der Tiermedizin kommen Antibiotika regelmäßig zum Einsatz, um bakterielle Infektionen zu bekämpfen. Dabei ist zu bedenken, dass zum Beispiel nicht jede Atemwegs- oder Harnwegsinfektion eine Antibiotikabehandlung erfordert. Beispiele für einen sinnvollen und notwendigen Einsatz von Antibiotika beim Menschen sind unter anderem folgende Erkrankungen:

Welcher Nutzen und welche Schäden von einem Antibiotikum ausgehen, wenn es bei einer Erkältung, akuter Bronchitis oder einer unkomplizierten Mittelohrentzündung eingenommen wird, zeigen die Faktenboxen des Harding-Zentrums für Risikokompetenz.

In der Regel sind Antibiotika bei richtiger Anwendung hochwirksam und meist auch gut verträglich. Das liegt daran, dass sie bestimmte Strukturen angreifen, die nur in Bakterien, aber nicht in menschlichen Zellen vorhanden sind.

Ein Nachteil von Antibiotika ist, dass sie nicht nur gegen die krankmachenden, sondern auch gegen die nützlichen Bakterien im Körper wirken.

Allerdings haben Antibiotika den Nachteil, dass sie nicht nur gegen die krankmachenden, sondern auch gegen die nützlichen Bakterien im Körper wirken. Im Darm leben besonders viele von diesen nützlichen Bakterien, die sogenannte Darmflora. Wird die Darmflora durch die häufige Einnahme von Antibiotika zerstört, können sich dort anschließend krankmachende Bakterien leichter ansiedeln. Diese können beispielsweise anhaltende Durchfallerkrankungen auslösen.

Wichtig zu wissen: Um die nützlichen, im und auf dem Körper lebenden Bakterien zu schützen, gilt für die Behandlung mit Antibiotika: nur dann, wenn unbedingt nötig. Ihre Ärztin oder Ihr Arzt weiß, wann Sie wirklich ein Antibiotikum benötigen.

Was ist das Mikrobiom?

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Wie entstehen Antibiotikaresistenzen?

Einige Bakterienarten sind von Natur aus unempfindlich, also resistent, gegen bestimmte Antibiotika. Es gibt jedoch auch viele Bakterien, die mit der Zeit gegen zuvor wirksame Antibiotika resistent geworden sind. 

Neue Resistenzen entstehen durch Veränderungen in der Erbinformation der Bakterien. Dann spricht man von Genmutationen. Diese können zufällig auftreten. Wenn sie vorteilhaft für das Bakterium sind, bleiben sie bestehen und werden an nachfolgende Generationen weitergegeben. Manche Bakterien können diese Resistenzgene, also den resistent machenden Teil der Erbinformationen, auch auf andere Bakterien übertragen. Das nennt man Gentransfer. 

Bakterien können auf verschiedene Arten resistent gegenüber einem Antibiotikum werden. Unter anderem, indem sie:

  • die Aufnahme des Antibiotikums in die Bakterienzelle verhindern
  • spezielle Pumpen bilden, die das Antibiotikum wieder aus der Bakterienzelle heraustransportieren
  • den Angriffspunkt des Antibiotikums verändern, sodass es keine Wirkung mehr hat
  • das Antibiotikum spalten und damit wirkungslos machen

Während der Behandlung mit einem Antibiotikum haben die resistenten Bakterien gegenüber nicht resistenten Bakterien einen Überlebensvorteil. Dadurch vermehren sie sich besser und können die Überhand gewinnen. Krankenhäuser sind daher von besonderer Bedeutung für die Entstehung und Verbreitung von antibiotikaresistenten Bakterien, die für Menschen gefährlich sind.  In Krankenhäusern und in der intensiven landwirtschaftlichen Tierhaltung werden zum Teil besonders viele Antibiotika eingesetzt, was den Druck auf die Bakterien erhöht, Resistenzen zu bilden. Auch wenn Antibiotika in die Umwelt geraten, kann das die Resistenzentwicklung fördern. Maßnahmen zur Vermeidung von Antibiotikaresistenzen müssen daher in allen Bereichen ansetzen, also bei Menschen, Tieren und in der Umwelt. Man nennt diesen Ansatz „One Health-Konzept“. 

Wichtig zu wissen: Die Entwicklung von Antibiotikaresistenzen wird unterstützt und beschleunigt, wenn Antibiotika übermäßig und fehlerhaft verwendet werden, also zum Beispiel in der falschen Dosis oder nicht über den verordneten Zeitraum. 

Wie entsteht eine Antibiotikaresistenz?

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Warum sind zunehmende Antibiotikaresistenzen bedenklich?

Einige Menschen sind besonders durch bakterielle Infektionen gefährdet, beispielsweise weil ihr Immunsystem geschwächt ist und Bakterien ohne Unterstützung nicht ausreichend bekämpfen kann. Dazu gehören vor allem Menschen:

  • mit schweren Vorerkrankungen wie Krebs
  • mit Immundefekten
  • deren Immunsystem durch Medikamente unterdrückt wird, zum Beispiel nach einer Organ- oder Stammzelltransplantation
  • die auf der Intensivstation behandelt werden
  • im hohen Lebensalter 

Gerade diese Menschen sind darauf angewiesen, dass ausreichend wirksame Antibiotika zur Verfügung stehen, da für sie selbst harmlose Infektionen gefährlich werden können. Aber auch normalerweise gesunde und fitte Menschen benötigen bei bestimmten bakteriellen Infektionen wie einer durch Bakterien verursachten Sepsis (Blutstrominfektion) oder einer Hirnhautentzündung Antibiotika.

Manche Bakterien sind jedoch inzwischen resistent gegen gängige Antibiotika, einige von ihnen sind sogar „multiresistent“ – also unempfindlich gegen gleich mehrere Antibiotikaklassen. Ein sehr bekanntes Beispiel ist der „Krankenhauskeim“ MRSA. MRSA steht für „Methicillin/Oxacillin resistenter Staphyloccus aureus“. Aber auch andere Arten wie beispielsweise die „Vancomycin resistenten Enterokokken“ (VRE) und die „multiresistenten gram-negativen Erreger“ (MRGN) stellen ein immer größer werdendes Problem dar. VRE sind Darmbakterien, die gegen bestimmte Antibiotika unempfindlich sind. Bei den MRGN handelt es sich um eine große Gruppe unterschiedlicher Bakterien, von denen viele ebenfalls im Darm zu finden sind, einige aber auch auf der Haut. Sie haben gemeinsam, dass sie unempfindlich gegen 3 oder sogar gegen 4 der häufig eingesetzten Klassen von Antibiotika sind.

Gegen diese multiresistenten Erreger (MRE) – auch „Superbugs“ genannt – sind nur noch sehr wenige Antibiotika wirksam, sogenannte „Reserveantibiotika“. Da in absehbarer Zeit kaum neue Antibiotika zu erwarten sind, ist es wichtig, die Wirksamkeit der vorhandenen Antibiotika zu erhalten: Schon heute sterben jährlich allein in Europa etwa 35.000 Menschen an schweren Infektionen mit resistenten Bakterien, da die verfügbaren Antibiotika nicht mehr ausreichend wirksam sind. Davon betroffen sind vor allem Säuglinge und ältere Menschen.

Was wird gegen die Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen unternommen?

Antibiotika-Resistenz-Strategie

Das Problem der zunehmenden Antibiotikaresistenzen ist schon lange bekannt. Es wurden auch bereits Strategien entwickelt, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Übergeordnet steht der „Globale Aktionsplan zur Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen“ der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Für Deutschland fasst die Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie (DART) die notwendigen Maßnahmen zusammen. Sie sieht unter anderem eine Überwachung des Antibiotikaverbrauchs und der Resistenzen vor, die sogenannte Antibiotika-Verbrauch-Surveillance (AVS) beziehungsweise Antibiotika-Resistenz-Surveillance (ARS). Weitere wichtige Maßnahmen betreffen die Vorbeugung von Infektionskrankheiten, den sachgerechten Antibiotikaeinsatz sowie die Zusammenarbeit bei Forschung und Entwicklung.

Infektionsschutzgesetz

Das Infektionsschutzgesetz enthält Regelungen, die dazu beitragen sollen, Resistenzen zu vermeiden. So ist beispielsweise der Nachweis bestimmter resistenter Erreger wie MRSA meldepflichtig. Eine Kommission beim Robert Koch-Institut (RKI) gibt auf dieser gesetzlichen Grundlage allgemeine Empfehlungen für die Diagnostik und Therapie von Infektionskrankheiten ab.

Antibiotic Stewardship

Das Konzept des „Antibiotic Stewardship“ beschreibt den angemessenen und verantwortungsvollen Einsatz von Antibiotika. Dazu gehört, dass Ärztinnen und Ärzte vor der Gabe eines Antibiotikums den Erreger identifizieren und anschließend ein geeignetes Antibiotikum wählen sollten. Denn nicht jedes Antibiotikum ist gegen jeden Erreger wirksam. Auch die Entscheidung über Therapiedauer, Dosierung und Form der Antibiotikagabe, zum Beispiel als Tablette oder als Infusion, gehören dazu.

Was kann man noch tun, um die Resistenzentwicklung zu stoppen?

Zusätzlich zu den übergreifenden Maßnahmen kann jeder selbst dazu beitragen, dass insgesamt weniger neue Antibiotikaresistenzen entstehen. Das kann gelingen, indem man:

  • sich bewusst macht, dass Antibiotika nur gegen Bakterien wirken und damit bei Virusinfektionen wie vielen Erkältungskrankheiten wirkungslos sind
  • nur für einen selbst verschriebene Antibiotika einnimmt
  • sich bei der Einnahme von Antibiotika genau an die ärztlichen Anweisungen hält: das betrifft vor allem die Einnahmezeit, die Einnahmedauer und die Kombination mit bestimmten Nahrungsmitteln
  • seiner Ärztin oder seinem Arzt mitteilt, wenn Nebenwirkungen auftreten und das Antibiotikum nicht selbstständig absetzt
  • übriggebliebene Tabletten nicht über die Toilette, sondern über den Hausmüll entsorgt
  • Fleisch aus artgerechter Tierhaltung kauft, da dort in der Regel weniger Antibiotika eingesetzt werden
Beim Thema Antibiotika sind folgende Eckpunkte wichtig: Antibiotika nur bei bakteriellen Infektionen, Befolgung ärztlicher Anweisungen, kein selbstständiges Absetzen, korrekte Entsorgung, Fleisch aus artgerechter Tierhaltung.

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