Zoonosen: Wenn sich Menschen und Tiere gegenseitig anstecken
Viele Infektionskrankheiten des Menschen haben ihren Ursprung im Tierreich und können sowohl Menschen als auch Tiere krank machen. Beispiele sind Tollwut und Borreliose. Welche Zoonosen es noch gibt, wie sie übertragen werden können und wie man sich schützen kann, erfahren Sie in diesem Beitrag.
Auf einen Blick
- Ein Großteil der Infektionskrankheiten beim Menschen sind Zoonosen.
- Zoonosen können vom Tier auf den Menschen, vom Menschen auf Tiere oder in beide Richtungen übertragen werden.
- Neu auftretende Zoonosen wie COVID-19 können Epidemien und Pandemien verursachen.
- Altbekannte Zoonose-Erreger wie Salmonellen sind bei Nutz- und Haustieren weit verbreitet und können von dort immer wieder auf Menschen übertragen werden.
- Eine Übertragung kann über direkten Kontakt zu Tieren, tierische Lebensmittel und Vektoren wie beispielsweise Zecken stattfinden.
Was ist eine Zoonose?
Als Zoonosen bezeichnet man ansteckende Erkrankungen, die bei Menschen und Tieren – genau genommen Wirbeltieren – auftreten und zwischen ihnen übertragen werden können. Sie machen einen Großteil der bekannten Infektionskrankheiten beim Menschen aus. Zoonose-Erreger können Viren, Bakterien, Parasiten und Pilze sein. Aber auch krankmachende Eiweiße – sogenannte Prionen – können zwischen Tier und Mensch übertragen werden und Erkrankungen auslösen. Der Mensch kann sich mit Zoonose-Erregern durch direkten Kontakt mit Tieren, durch kontaminierte Lebensmittel oder durch belebte Vektoren, wie beispielsweise Zecken und Mücken, anstecken.
Wie häufig kommen Zoonosen vor?
Über 200 verschiedene Zoonosen sind bisher bekannt. Sie machen einen großen Teil der Infektionskrankheiten beim Menschen aus. Von den neu auftretenden Infektionskrankheiten haben gut zwei Drittel einen tierischen Ursprung. Auch wenn es bereits früher durch Zoonose-Erreger verursachte Seuchen gab, wie zum Beispiel die spanische Grippe, haben Ausbrüche neuer zoonotischer Infektionskrankheiten in den letzten Jahren zugenommen. Einige Beispiele sind die Lungenkrankheit SARS (2002), die Schweinegrippe H1N1 (2009), die Lungenkrankheit MERS (2012), das Ebolafieber (2014) und COVID-19 (2019).
Welche Arten von Zoonose-Erregern gibt es?
Zoonose-Erreger können Bakterien, Viren, Parasiten und seltener auch Pilze oder gesundheitsschädigende Eiweiße – sogenannte Prionen – sein.
Bakterien
Bakterien sind einzellige Kleinstlebewesen mit verschiedenen Formen, Größen und Eigenschaften. Menschen und Tiere sind zu jeder Zeit mit einer Vielzahl von unschädlichen und sogar nützlichen Bakterien besiedelt. Bestimmte Bakterien können aber auch krank machen. Beispiele für krankmachende Bakterien, die vom Tier auf den Menschen oder auch andersherum übertragen werden können, sind:
- Borrelien (Borreliose)
- Campylobacter (Campylobacteriose)
- Salmonellen (Salmonellose)
- Staphylokokken
Viren
Viren sind winzige Strukturen ohne eigenen Stoffwechsel. Um sich vermehren zu können, benötigen sie einen Wirt. Daher werden Viren nicht zu den Lebewesen gezählt. Anders als Bakterien sind Viren nie nützlich für Tiere oder Menschen. Sie sind aber auch nicht immer schädlich. Beispiele für zoonotische Viren sind:
- FSME-Virus (Frühsommer-Meningoenzephalitis)
- Hantavirus (Hantavirus-Erkrankung)
- Rabiesvirus (Tollwut)
- Dengue-Virus (Denguefieber)
- Ebolavirus (Ebolafieber)
Parasiten
Parasiten sind ein- oder mehrzellige Organismen, wie beispielsweise Würmer, die einen Wirt – ein Tier, Mensch oder auch Pflanzen – für ihre Nahrungsversorgung nutzen. Unter Umständen können sie auch Krankheitserreger übertragen. Für den Wirt bringt das keine Vorteile. Beispiele für zoonotische Parasiten sind:
- Toxoplasmen (Toxoplasmose)
- Plasmodien (Malaria)
- Bandwürmer
- Zecken
- Flöhe
Pilze
Pilze sind mehrzellige Organismen, die Menschen und Tiere besiedeln und krank machen können. Ein Beispiel für einen zoonotischen Pilz ist Microsporum canis, der häufig Hunde, Katzen, Pferde und Kaninchen befällt und auch bei Menschen eine Hauterkrankung (Dermatophytose) auslösen kann.
Prionen
Prionen sind falsch gefaltete, infektiöse Eiweiße, die mit tierischen Lebensmitteln aufgenommen werden können. Gelangen Prionen ins Gehirn, verursachen sie einen Abbau des Hirngewebes. Über Produkte von Rindern, die an boviner spongiformer Enzephalopathie (BSE) erkrankt sind, können Prionen auf Menschen übertragen werden und eine tödliche Erkrankung namens „variante Creutzfeldt-Jacob-Krankheit“ auslösen. Auch hierbei handelt es sich um eine Zoonose.
Was ist das Mikrobiom?
Erfahren Sie in diesem Video mehr über das Mikrobiom und seine Funktionen im menschlichen Körper.
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Wie werden Zoonose-Erreger übertragen?
Einige Zoonosen werden überwiegend von Wirbeltieren auf Menschen (Zooanthroponose) übertragen, andere vorrangig von Menschen auf Wirbeltiere (Anthropozoonosen). Bei einigen Zoonosen erfolgt die Übertragung in beide Richtungen. Dabei kann es sein, dass sowohl Überträger als auch Empfänger – also Tier und Mensch – erkranken und Symptome zeigen. Die Symptome können dann aber durchaus unterschiedlich sein. Es ist auch möglich, dass nur einer der beiden Infizierten Symptome zeigt und der andere komplett symptomfrei bleibt, aber unter Umständen Erreger ausscheidet.
Menschen können sich auf unterschiedlichen Wegen bei Wild-, Nutz- und Haustieren mit Zoonose-Erregern anstecken:
Direkter Kontakt
Die Übertragung der Erreger kann über den direkten Kontakt zwischen Mensch und Tier erfolgen. Insbesondere beim engen Kontakt mit Haustieren – zum Beispiel durch Kuscheln, Ablecken oder auch Kratzwunden – können Krankheitserreger übertragen werden. Beispielsweise können Katzen Toxoplasmen übertragen, die vor allem für Schwangere und das ungeborene Kind gefährlich werden können. Auch Tiere ohne Fell kommen als Überträger infrage: So können Amphibien und Reptilien Menschen mit verschiedenen Salmonellen-Arten anstecken – das geschieht meist beim Anfassen oder beim Kontakt mit dem Kot der Tiere. Für viele Krankheitserreger ist das Risiko, sich bei Haustieren mit ihnen anzustecken und schwer zu erkranken, für gesunde Menschen eher gering. Es ist jedoch immer sinnvoll, auf ausreichend Hygiene im Umgang mit den Tieren zu achten – insbesondere für Kinder, Schwangere oder Menschen mit einem geschwächten Immunsystem. Bei anderen zoonotischen Krankheitserregern kann jedoch nur eine vorbeugende Impfung sicher schützen. So sollten Hund und Katze immer gegen Tollwut geimpft sein. Auch Infektionen mit Parasiten wie zum Beispiel Bandwürmern können Tierhalterinnen und Tierhalter durch regelmäßige Entwurmungen ihrer Haustiere vorbeugen.
Im Gegensatz zu Haustierbesitzerinnen und -besitzern haben Menschen, die engen Kontakt zu Wildtieren haben – zum Beispiel weil sie diese jagen oder durch den Verlust an Lebensräumen in ihrer Nähe wohnen – ein höheres Risiko, sich mit möglicherweise gefährlichen Zoonose-Erregern anzustecken. Der Grund ist, dass es in einigen Wildtierpopulationen viele noch unbekannte Erreger gibt. Insbesondere Fledermäuse und Flughunde gelten als bedeutsame Quellen neuer Zoonosen. So hatten beispielsweise Tollwut, Ebola und MERS sowie vermutlich auch SARS und SARS-CoV-2 ihren Ursprung in diesen Tieren.
Auch Menschen, die in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung tätig sind, haben ein erhöhtes Ansteckungsrisiko. Ein zusätzliches Risiko ist dort, dass Tiere aus der konventionellen Nutztierhaltung oft multiresistente Erreger (MRE) in sich tragen, die sie auf Menschen übertragen können. Das sind Bakterien, die gegen mehrere Antibiotikawirkstoffe unempfindlich sind. Dazu gehören insbesondere Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA) und Extended-Spectrum-Beta-Laktamase(ESBL)-bildende Enterobakterien. Diese Bakterien können beim Menschen unter anderem Wundinfektionen und Entzündungen der Herzinnenhaut (Endokarditis) auslösen. Infektionen mit multiresistenten Bakterien sind nur schwer behandelbar, wenn die gängigen Antibiotika nicht wirken.
Tierische Lebensmittel
Bakterien aus der Nutztierhaltung können über rohe tierische Nahrungsmittel wie Milch, Eier und Fleisch auf die Verbraucherinnen und Verbraucher übertragen werden. Dabei ist eine Ansteckung mit Bakterien wie Salmonellen oder Campylobacter über verunreinigte Nahrungsmittel recht häufig. Der Grund dafür ist oft eine unzureichende Küchenhygiene beim Umgang mit rohen tierischen Produkten. Für gesunde Menschen ist das zwar meist ungefährlich, Menschen mit einem geschwächten Immunsystem, Eltern von kleinen Kindern oder Schwangere sollten jedoch im Umgang mit Eiern, Rohmilch sowie rohem Fisch und Fleisch auf eine ausreichende Hygiene bei der Zubereitung achten. Diese Produkte sollten außerdem nicht roh verzehrt werden.
Wie kann man Lebensmittelinfektionen vorbeugen?
Das folgende Video erklärt, was man tun kann, um eine Lebensmittelinfektion zu vermeiden.
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Was ist der One Health-Ansatz und wie hängt er mit Zoonosen zusammen?
Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gehen davon aus, dass durch zunehmende Zoonosen auch das Risiko für Pandemien steigt. Als Ursache für vermehrte Zoonosen werden vor allem menschliche Einflüsse gesehen: Die natürlichen Lebensräume von Wildtieren werden durch den Klimawandel, die Ausbreitung der Städte und großflächige Rodungen von Wäldern zerstört. Daher müssen viele Wildtiere in Gebiete ausweichen, wo auch Menschen leben. So kann es vermehrt zu Kontakt zwischen Menschen und Wildtieren kommen. Zudem kann der Klimawandel die Ausbreitung von Mücken und Zecken, die Krankheitserreger übertragen können, begünstigen. Außerdem kommen Menschen durch die Jagd und den Verkauf von Wildtieren öfter mit deren Krankheitserregern in Kontakt. Nicht zuletzt trägt die intensive Nutztierhaltung dazu bei, dass – teils multiresistente – Krankheitserreger von Tieren auf Menschen überspringen und andersherum.
Hier zeigt sich, dass die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt eng miteinander verknüpft ist. Daher kann es nur eine Gesundheit für alle geben: für die Gesundheit der Menschen sind also die Gesundheit der Tiere und der Umwelt Voraussetzung. Dieses Konzept wird als „One Health“ bezeichnet. Der One Health-Ansatz zeigt auf und erkennt an, wie wichtig ein verantwortungsvoller Umgang in der Human- und Tiermedizin sowie Umweltwissenschaft für das Wohlergehen und die Gesundheit aller Beteiligten ist.
Was kann gegen Zoonosen unternommen werden?
Um die Ausbreitung von Zoonosen und damit die Ausbreitung neuer Infektionskrankheiten zu begrenzen, sind übergreifende Maßnahmen von den Regierungen und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Sinne des One Health-Konzepts, wie zum Beispiel der Auf- und Ausbau von Frühwarnsystemen, nötig. Auch eine intensive Forschung ist wichtig, um Zoonosen besser zu verstehen und somit erfolgreich verhindern oder bekämpfen zu können. In Deutschland widmet sich seit 2006 die Nationale Forschungsplattform für Zoonosen dieser Aufgabe.
Zusätzlich kann jeder selbst einiges dafür tun, sich nicht selbst mit Zoonose-Erregern anzustecken:
Kochen und Essen
- im Umgang mit rohen tierischen Produkten auf eine ausreichende Küchenhygiene achten
- Fleisch gut durchgaren
- Fleischkonsum reduzieren
- regionale Produkte bevorzugt kaufen
Umgang mit Tieren
- Kontakt zu Wildtieren vermeiden
- nach dem Kontakt mit Tieren oder Kot gründlich die Hände waschen, insbesondere vor dem Essen
- Biss- oder Kratzwunden sofort mit Wasser ausspülen
- Haustiere regelmäßig von Tierärztin oder Tierarzt untersuchen lassen, Impfungen und Entwurmungen regelmäßig durchführen lassen
Gesundheitsvorsorge durch Impfungen
Gegen einige Zoonose-Erreger kann man sich impfen lassen, um das Ansteckungsrisiko zu verringern, zum Beispiel gegen Grippeviren und SARS-CoV-2. Manche Impfungen werden allerdings nur dann empfohlen, wenn ein erhöhtes Risiko für eine Ansteckung besteht, zum Beispiel bei einer Reise in ein Risikogebiet. Beispiele dafür sind die Impfungen gegen FSME, Gelbfieber und Tollwut.
Schutz vor Mücken und Zecken
Da Mücken und Zecken viele verschiedene Zoonose-Erreger übertragen können, ist es sinnvoll, sich vor Mücken- und Zeckenstichen zu schützen. Dabei helfen unter anderem Anti-Insekten-Sprays und lange Kleidung.
Mehr zum Schutz vor Mücken und Zecken lesen Sie in unserem Artikel zu exotischen Infektionskrankheiten.
Wo gibt es weitere Informationen?
Informationen zu Zoonosen, Steckbriefe zu ausgewählten Zoonose-Erregern sowie ihren Forschungsschwerpunkten bietet die Nationale Forschungsplattform für Zoonosen auf ihrer Website zoonosen.net.
- Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF). Tinea capitis. S1-Leitlinie. AWMF-Registernummer 013-033. 01.2019.
- Deutscher Bundestag, wissenschaftliche Dienste. Zoonosen: Begriffsdefinitionen, historischer Überblick, Pandemiepotenzial. 01.2021.
- Irving, AT, Ahn M, Goh G et al. Lessons from the host defences of bats, a unique viral reservoir. Nature 2021. 589: 363-370. doi: 10.1038/s41586-020-03128-0.
- Köck R, Cuny C. Multiresistente Erreger bei Tier und Mensch. Medizinische Klinik – Intensivmedizin und Notfallmedizin 2020. 115: 189-197. doi: 10.1007/s00063-018-0487-x.
- Niedersächsisches Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (Laves). Zoonosen. Aufgerufen am 16.08.2021.
- Nationale Forschungsplattform für Zoonosen (zoonosen.net). Was sind Zoonosen? Aufgerufen am 17.08.2021.
- Nationale Forschungsplattform für Zoonosen (zoonosen.net). Zukunftsthema Global Health: Epidemien erfordern globale Lösungen. 10.2018.
- Robert-Koch-Institut (RKI). Empfehlungen der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch-Institut 2020/2021. Epidemiologisches Bulletin. 34/2020.
- Robert-Koch-Institut (RKI). Livestock-assoziierte Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (LA-MRSA) als interdisziplinäre Herausforderung. Aufgerufen am 19.08.2021.
- Schuster N. Zoonosen durch Haustiere: Freunde mit Risiken. Pharmazeutische Zeitung. Aufgerufen am 05.01.2022.
- World Health Organization (WHO). Zoonoses. Aufgerufen am 16.08.2021.
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