Medizinprodukte: von der Brille bis zum Herzschrittmacher

Was haben Brillen, Corona-Tests und Herzschrittmacher gemeinsam? Alle drei sind Medizinprodukte. Sie müssen ein genau geregeltes Prüfverfahren durchlaufen, bevor sie auf den Markt kommen. Das soll ihre Sicherheit und Leistungsfähigkeit garantieren – ähnlich wie bei Arzneimitteln.

Auf einen Blick

  • Medizinprodukte werden zu ähnlichen Zwecken verwendet wie Arzneimittel, zum Beispiel zur Erkennung oder Behandlung von Erkrankungen. Sie unterscheiden sich jedoch in ihrer Wirkweise.  
  • Bevor ein Medizinprodukt auf den Markt kommt, muss der Hersteller nachweisen, dass sein Produkt sicher ist und die Produktbeschreibung der Wahrheit entspricht.  
  • Erst dann bekommt das Medizinprodukt die Prüf-Kennzeichnung „CE“ und darf vermarket werden.  
  • Die Sicherheit von Medizinprodukten mit CE-Kennzeichnung wird fortlaufend von der zuständigen Behörde überwacht. Im Fall von Sicherheitsbedenken kann so rechtzeitig eingegriffen werden. 
Junge Frau bekommt Brille vom Optiker

Wie kommen Medizinprodukte auf den Markt?

Bevor ein Medizinprodukt auf den europäischen und damit auch auf den deutschen Markt kommt, muss es ein Verfahren durchlaufen, das dem Verfahren der Arzneimittelzulassung ähnlich ist. Es wird als Konformitäts-Bewertungsverfahren bezeichnet. In diesem Verfahren muss der Hersteller nachweisen, dass sein Produkt sicher ist und die Produktbeschreibung der Wahrheit entspricht. Anders als bei Arzneimitteln handelt es sich hierbei aber nicht um eine staatliche Zulassung. Die Prüfung von Medizinprodukten wird von dafür qualifizierten und staatlich autorisierten Stellen durchgeführt, beispielsweise vom TÜV oder der DEKRA. Sie stellen dann ein Zertifikat aus. 

Wichtig zu wissen: Das Konformitäts-Bewertungsverfahren sorgt dafür, dass Medizinprodukte vor ihrem Marktzugang ausreichend auf ihre Sicherheit und Leistungsfähigkeit geprüft werden.  

Wann ist eine klinische Prüfung nötig? 

Manche Medizinprodukte müssen in klinischen Studien geprüft werden. Das ist der Fall, wenn noch keine ausreichenden Daten vorliegen, um die Sicherheit und Leistungsfähigkeit des Produkts nachzuweisen. Dann müssen die benötigten Daten in klinischen Studien ermittelt werden. Liegen bereits ausreichend Daten vor – zum Beispiel von gleichartigen Produkten – ist keine klinische Prüfung nötig.   

Um klinische Studien von Medizinprodukten und Leistungsstudien von In-vitro-Diagnostika durchzuführen, benötigen die Hersteller in der Regel die Genehmigung der zuständigen Bundesoberbehörde – des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) oder des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI). Auch die zuständige Ethik-Kommission muss zustimmen. Zu den In-vitro-Diagnostika zählen beispielsweise Schnelltests wie die Corona-Tests. 

Was ist die CE-Kennzeichnung?

Die CE-Kennzeichnung ist eine Art Gütesiegel. Damit Medizinprodukte in Europa in den Verkehr gebracht werden dürfen, müssen sie eine CE-Kennzeichnung haben.

Bevor Medizinprodukte auf den europäischen Markt kommen dürfen, müssen sie eine CE-Kennzeichnung haben.

Die CE-Kennzeichnung darf nur angebracht werden, wenn für das Produkt die grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen nachgewiesen wurden. Das geschieht im Konformitäts-Bewertungsverfahren.

Wie wird überprüft, ob Medizinprodukte dauerhaft sicher sind?

Wenn ein Medizinprodukt die CE-Kennzeichnung erhalten hat und somit auf den Markt gebracht werden darf, wird es weiterhin von der zuständigen Behörde überwacht. Zudem erfasst das Medizinprodukte-Beobachtungs- und Meldesystem alle Vorkommnisse und Risiken, die nachträglich noch auftauchen.  

Was sind Vorkommnisse? 

Vorkommnisse können vereinfacht als jegliche Art eines Produktmangels oder einer Fehlfunktion einschließlich unerwünschter Nebenwirkungen eines Medizinprodukts bezeichnet werden. 

Schwerwiegende Vorkommnisse sind Vorkommnisse, in denen eine Person durch das Medizinprodukt eine schwerwiegende Verschlechterung des Gesundheitszustands erlitten hat oder hätte erleiden können. Es kann also bereits bei einer möglichen Gesundheitsgefährdung ein schwerwiegendes Vorkommnis vorliegen.   

Beispiele für schwerwiegende Vorkommnisse durch Medizinprodukte sind: 

  • eine lebensbedrohliche Erkrankung oder Verletzung 
  • eine dauerhafte Beeinträchtigung einer Körperstruktur oder Körperfunktion  
  • die Notwendigkeit eines chirurgischen Eingriffs  
  • eine Einweisung ins Krankenhaus 

Schwerwiegende Vorkommnisse müssen beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) oder beim Paul-Ehrlich-Institut (PEI) gemeldet werden. Die Meldepflicht betrifft vor allem Hersteller und berufliche Anwenderinnen und Anwender. Aber auch Privatpersonen können Vorkommnisse melden.

Was sind die Konsequenzen eines schwerwiegenden Vorkommnisses?  

Wurde ein schwerwiegendes Vorkommnis festgestellt und beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gemeldet, muss der Hersteller es untersuchen. Auf der Grundlage der gesammelten Daten bewertet das BfArM anschließend das Risiko. Zeigt sich ein unvertretbares Risiko, muss der Hersteller Gegenmaßnahmen einleiten. So soll sichergestellt werden, dass zukünftige Patientinnen und Patienten keinem – oder nur einem möglichst geringen Risiko – ausgesetzt werden.   

Wieso werden Medizinprodukte in verschiedene Risikoklassen unterteilt?

Der Gebrauch von Medizinprodukten ist mit bestimmten Risiken verbunden. Diese sind bei manchen Medizinprodukten höher als bei anderen. Beispielsweise ist die Anwendung eines Herzschrittmachers risikoreicher als die eines Pflasters.

Risikoreiche Medizinprodukte unterliegen strengeren Prüfregeln als jene mit einem geringen Risiko. Die Hersteller sind deshalb dazu verpflichtet, ihre Medizinprodukte in unterschiedliche Risikoklassen einzuteilen.

Für die Einteilung gibt es vier Klassen: I, IIa, IIb und III. Dabei hat Klasse I das geringste Risiko und Klasse III das höchste Risiko. Für In-vitro-Diagnostika – eine spezielle Produktgruppe innerhalb der Medizinprodukte – gibt es die Risikoklassen A, B, C und D: A mit dem geringsten und D mit dem höchsten Risiko.

Medizinprodukte werden in vier Risikoklassen eingeteilt: Klasse I (geringes Risiko), Klasse IIa (mittleres Risiko), Klasse IIb (erhöhtes Risiko), Klasse III (hohes Risiko).

Welche Kriterien gibt es für die Einteilung? 

Der Hersteller des Medizinprodukts legt die Risikoklasse nach bestimmten Regeln fest. Je höher das Risiko für die Patientin oder den Patienten ist, desto höher ist die Klasse. Entscheidend für die Klassifizierung sind unter anderem die Dauer und der Ort der Anwendung. Produkte, die lange angewendet werden, sind in der Regel risikoreicher. Auch Produkte, die im Körper angewendet werden, haben ein höheres Risiko, als solche, die auf der unverletzten Haut genutzt werden.

Beispiele für die Einteilung in Risikoklassen 

Klasse I (geringes Risiko): 

Klasse IIa (mittleres Risiko):  

  • Hörgeräte 
  • Ultraschallgeräte 
  • Zahnkronen 

Klasse IIb (erhöhtes Risiko):

  • Infusionspumpen 
  • Röntgengeräte 
  • Kondome  

Klasse III (hohes Risiko oder lebenserhaltende Funktion): 

  • Herzschrittmacher 
  • künstliche Gelenke 
  • Brustimplantate

Wer ist zuständig für die Regulierung von Medizinprodukten?

Verschiedene Gesetze und Verordnungen regeln die Zuständigkeiten für Medizinprodukte in Deutschland und der Europäischen Union: 

  • Die europäische Medizinprodukteverordnung (EU) 2017/745 (Medical Device Regulation, MDR) stellt das Grundgerüst dar.  
  • Das Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz (MPDG) dient der Durchführung und Ergänzung der MDR in Deutschland.  

Für Aufgaben, die mit der Prüfung und Zertifizierung von Medizinprodukten verbunden sind, sind bestimmte staatlich autorisierte Prüfstellen wie TÜV oder DEKRA zuständig. Um die Überwachung der Hersteller und der Medizinprodukte kümmern sich die jeweils zuständigen Behörden der Bundesländer.

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ist vor allem für die wissenschaftliche Bewertung von Risiken bei Medizinprodukten zuständig. Unter anderem gehört dazu: 

  • Meldungen über schwerwiegende Vorkommnisse entgegenzunehmen und anschließend Risikobewertungen zu erstellen 
  • klinische Prüfungen und Leistungsbewertungsprüfungen zu genehmigen  
  • über die Abgrenzung und Klassifizierung von Medizinprodukten zu entscheiden  
  • die zuständigen Behörden, die Verantwortlichen für das erstmalige Inverkehrbringen, die Sponsoren und die staatlich autorisierten Prüf- und Zertifizierungsstellen zu beraten 

Zusätzlich entscheidet das BfArM darüber, ob digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) in das öffentliche DiGA-Verzeichnis aufgenommen und die Kosten damit von den Krankenkassen erstattet werden.

Wer ist zuständig für In-vitro-Diagnostika? 

In-vitro-Diagnostika (IVD) sind eine Untergruppe der Medizinprodukte: Es handelt sich dabei um Tests, die anhand biologischer Proben wie Blut oder Speichel den Gesundheitszustand einer Person ermitteln. Dazu gehören zum Beispiel Tests zur Eigenanwendung wie Schwangerschaftstests oder Corona-Selbsttests. Aber auch komplexere Tests, die im Labor durchgeführt werden müssen, gehören dazu.

Für In-vitro-Diagnostika gibt es eine eigene gesetzliche Grundlage: die europäische IVD-Verordnung.

Die Zuständigkeit dafür ist zwischen dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) aufgeteilt. Die Überwachung liegt bei den jeweils zuständigen Behörden der Bundesländer. 

Wo findet man weitere Informationen zu Medizinprodukten?

Weitere Informationen zu Medizinprodukten finden Sie auf der Website des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) – im Bürgerbereich sowie im Bereich für Fachleute.

In Zusammenarbeit mit dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM)

Stand:
Fanden Sie diesen Artikel hilfreich?