Bipolare Störung
ICD-Codes: F31 Was ist der ICD-Code?
Bei einer bipolaren Störung kommt es zu starken Stimmungsschwankungen. Die Gefühle pendeln zwischen Hochgefühl und Tatendrang, Niedergeschlagenheit und innerer Leere. Die Störung bleibt meist dauerhaft bestehen, doch Medikamente und Psychotherapie verbessern die Lebensqualität oft deutlich.
Auf einen Blick
- Menschen mit einer bipolaren Störung erleben starke Stimmungsschwankungen. Diese können zwischen manischen (antriebsgesteigerten) und depressiven (antriebslosen) Episoden pendeln.
- Solche Episoden sind belastend, weil sie oft wichtige Lebensentscheidungen und Beziehungen beeinflussen.
- Die Ursachen der bipolaren Störung sind nicht genau bekannt. Unter anderem spielt wahrscheinlich eine genetische Veranlagung eine Rolle.
- Die meisten Menschen mit einer bipolaren Störung benötigen eine lebenslange Behandlung.
- Mit einer Kombination aus Medikamenten und Psychotherapie lässt sich die Lebensqualität deutlich verbessern.
Hinweis: Die Informationen dieses Artikels können und sollen einen Arztbesuch nicht ersetzen und dürfen nicht zur Selbstdiagnostik oder -behandlung verwendet werden.
Was ist eine bipolare Störung?
Die bipolare Störung ist eine psychische Störung. Sie kann sehr unterschiedlich ausgeprägt sein. Typisch sind Gefühlsschwankungen, bei denen die Stimmung wie zwischen zwei Polen pendelt: zwischen bestens gelaunt, selbstsicher, voller Energie (manisch) und tieftraurig, antriebslos, leer (depressiv).
Zwischen diesen beiden Extremen sind Phasen ohne oder mit nur wenigen Beschwerden möglich. Bei den meisten Menschen mit einer bipolaren Störung sind die manischen und depressiven Episoden jedoch so ausgeprägt, dass dies ihr Leben beeinträchtigt: Während sie sich in der manischen Phase überschätzen, sind sie in der depressiven Phase antriebslos. Oft kommt es deshalb zu Problemen im Arbeits- und Familienleben.
Eine bipolare Störung entwickelt sich meist schleichend. Sie ist zwar eine chronische Erkrankung, doch eine Kombination aus Psychotherapie und Medikamenten kann die Lebensqualität entscheidend verbessern.
Welche Symptome können bei einer bipolaren Störung auftreten?
Für eine bipolare Störung sind wechselnde Phasen von Manien, Hypomanien und depressiven Phasen typisch. Manchmal kommt es auch zu Mischzuständen.
Manische Episode
Während einer Manie fühlen sich die Menschen über das normale Maß hinaus selbstbewusst und leistungsfähig, manchmal aber auch gereizt. Es kann zu Selbstüberschätzung kommen, die Menschen reagieren sprunghaft. Sie haben oft ein vermindertes Schlafbedürfnis, schlafen dann nachts nur wenige Stunden, sind aber tagsüber trotzdem angetrieben in ihrer Aktivität. Auch können sie übermäßig gesprächig sein und eine gesteigerte sexuelle Lust (Libido) verspüren. Indem sie soziale Hemmungen verlieren, verhalten sie sich unangemessen und zunehmend rücksichtslos. Zudem können psychotische Symptome auftreten wie Verfolgungswahn, Halluzinationen oder Wahngedanken.
Depressive Episode
Auf die manische Phase folgt direkt oder später eine depressive Episode. Dabei kippt die Stimmung ins Gegenteil: Die Menschen fühlen sich müde, erschöpft, antriebslos, niedergeschlagen oder traurig und ziehen sich zurück. Hinzu kommen ein verringertes Selbstwertgefühl, ständiges Grübeln und sexuelle Lustlosigkeit. Gedanken einer Selbsttötung (Suizid) können in den Vordergrund treten.
Gemischte Episode
In der Phase des Mischzustands wechseln sich manische und depressive Episoden in kurzen Abständen ab oder treten parallel auf. Das heißt, die Menschen verspüren eine gesteigerte Aktivität bei gleichzeitig depressiven Symptomen. In solch einer Phase ist das Suizidrisiko besonders hoch.
Hypomanie
Eine Hypomanie äußert sich ähnlich wie eine Manie, ist aber deutlich schwächer ausgeprägt und manchmal durchsetzt von depressiven Schüben.
Was ist die Ursache für eine bipolare Störung?
Die genauen Ursachen für eine bipolare Störung sind noch unklar. Wahrscheinlich trägt eine familiäre Veranlagung zur Entwicklung der Erkrankung bei. In diesem Fall können traumatische Ereignisse, emotionaler Stress oder andere Faktoren die Störung auslösen.
Welche Faktoren fördern die Schwere einer bipolaren Störung?
Bestimmte Faktoren begünstigen einen schweren Verlauf einer bipolaren Störung. Dazu zählen:
- schwerwiegende Lebensereignisse (Traumata)
- Konsum von Drogen
- psychotische Symptome
Schwere Verläufe treten bei Frauen und Menschen, die in jungen Jahren erkranken, häufiger auf.
Wie häufig kommt die bipolare Störung vor?
Weltweit haben etwa 2 von 100 Menschen eine bipolare Störung. Die meisten erleben die erste Episode, wenn sie jünger als 25 Jahre sind.
Wie entwickelt sich eine bipolare Störung?
Wie eine bipolare Störung verläuft, ist von Mensch zu Mensch verschieden. Oft kommt es zu Rückfällen. Dabei erleben die meisten nur einige wenige Phasen, manche aber haben mehr als 10 Episoden.
Normalerweise wechseln sich manische (antriebsgesteigerte) Phasen mit depressiven (antriebslosen) Phasen ab oder es kommt zu Mischzuständen. Solch ein Verlauf wird als Bipolar-I-Störung bezeichnet.
Es kann sein, dass wiederkehrend nur manische Episoden auftreten. Auch ist es möglich, dass sich hypomanische mit depressiven Phasen abwechseln und keine manischen Episoden auftreten – Medizinerinnen und Mediziner sprechen dann von einer Bipolar-II-Störung.
Treten innerhalb eines Jahres mindestens vier voneinander abgrenzbare Episoden in Form einer Manie, Hypomanie und/oder Depression auf, handelt es sich um eine sehr episodenreiche und schwere Erkrankung. Aufgrund des schnellen Phasenwechsels nennt man das „Rapid Cycling“.
Wie stellt man eine bipolare Störung fest?
Neurologinnen und Neurologen oder Psychiaterinnen und Psychiater diagnostizieren eine bipolare Störung durch umfangreiche Gespräche und eine körperliche Untersuchung.
Wichtig für die Diagnose sind ein genauer Bericht der Lebensgeschichte sowie das Auftreten von Stimmungsschwankungen in der Vergangenheit. Außerdem wird erfragt, ob es Familienmitglieder mit einer bipolaren Störung gibt.
Viele Menschen mit einer bipolaren Störung erhalten die Diagnose erst 5 bis 10 Jahre nach Beginn der Erkrankung. Das liegt daran, dass die Symptome der ersten Episoden oft nicht eindeutig sind. Zum einen ist es möglich, dass eine erste depressive Episode als Depression eingestuft wird und eine manische Phase mit psychotischen Symptomen als eine Schizophrenie. Zum anderen kann eine hypomanische Phase diagnostisch nicht auffallen, da schwach manische Symptome häufig nicht zu Beeinträchtigungen führen.
Eine möglichst frühe Diagnose und ein rascher Start der Behandlung können helfen, einen chronischen Verlauf der bipolaren Störung zu verhindern. Je weniger Krankheitsepisoden ein Mensch erlebt hat, desto besser spricht die Therapie an.
Wie wird eine bipolare Störung behandelt?
Es gibt keine Therapie, welche die Ursachen einer bipolaren Störung beheben kann. Wird die Erkrankung aber frühzeitig erkannt und richtig behandelt, lassen sich Krankheitsepisoden hinauszögern oder vermeiden.
Man unterscheidet grundsätzlich zwei Arten von Behandlungen:
- die Akutbehandlung: Sie hat zum Ziel, schnellstmöglich depressive oder (hypo)manische Symptome zu lindern.
- die Phasenprophylaxe: Sie soll das Auftreten weiterer Episoden reduzieren und bestenfalls verhindern.
Je nachdem, um welche Form der bipolaren Störung es sich handelt und welche Symptome vorherrschen, kommen verschiedene medizinische und nicht medizinische Verfahren zum Einsatz – meist in Kombination. Dazu zählen:
- Medikamentöse Therapie: Bei depressiven Symptomen kommen Antidepressiva und Stimmungsstabilisierer infrage, wie sie auch bei Depressionen eingesetzt werden. Bei psychotischen Symptomen helfen atypische Neuroleptika: Das sind Substanzen, die bei schizophrenen Erkrankungen zum Einsatz kommen.
- Psychotherapie, ergänzend zur Behandlung mit Medikamenten: Bewährt haben sich vor allem Verfahren wie die Psychoedukation und die kognitive Verhaltenstherapie. Neben dem Aufklären über die Erkrankung geht es vor allem darum, durch Änderungen im Verhalten und im Denken gut mit der Erkrankung leben zu lernen und Rückfällen vorzubeugen. Wirksam ist auch eine Familientherapie.
- Elektrokonvulsionstherapie (EKT): Die Elektrokrampftherapie kommt in der Regel nur bei schweren Depressionen infrage, wenn andere Behandlungen nicht geholfen haben. Unter Vollnarkose wird durch einen schwachen Stromimpuls im Gehirn ein kurzer Krampfanfall ausgelöst. Die Therapie umfasst meist 6 bis 12 Behandlungen. Sie wirkt bei depressiven und manischen Symptomen. Um Rückfällen vorzubeugen, kommen zusätzlich Medikamente und Psychotherapie infrage.
- Wachtherapie: Diese wird bei einer akuten schweren depressiven Episode eingesetzt. Hierfür muss man über einen bestimmten Zeitraum hinweg entweder komplett einen Tag und eine Nacht wach bleiben oder darf eine halbe Nacht nicht schlafen. Viele profitieren davon. Die Beschwerden verbessern sich aber oft nur kurzfristig. Daher ist eine gleichzeitige Gabe von Medikamenten sinnvoll.
Welche Beratungsangebote für bipolare Störungen gibt es?
Selbsthilfegruppen bieten viele Möglichkeiten der Unterstützung. Menschen mit einer bipolaren Störung und deren Angehörige können sich dort informieren, beraten lassen und sich persönlich über ihre Erfahrungen austauschen.
Auf der Website der Nationalen Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen (NAKOS) können Sie über eine Datenbank geeignete Selbsthilfe-Angebote finden.
- Deutsche Gesellschaft für Bipolare Störungen e.V. und Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e.V. Diagnostik und Therapie Bipolarer Störungen. S3-Leitlinie. Langversion 2.1. 05.2020. AWMF-Registernummer 038-019. Aufgerufen am 25.01.2021.
- DynaMed [Internet]. Ipswich (MA). Bipolar Disorder. EBSCO Information Services. Record No. T114738. 2020 (1995). Aufgerufen am 13.01.2022.
- UpToDate (Internet). Bipolar disorder in adults: Epidemiology and pathogenesis. Wolters Kluwer 2021. Aufgerufen am 13.01.2022.
- UpToDate (Internet). Bipolar disorder in adults: Clinical features. Wolters Kluwer 2020. Aufgerufen am 13.01.2022.
In Zusammenarbeit mit dem Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)
Stand: