Notfallversorgung durch Tele-Notdienst und Tele-Stroke-Unit
Nicht immer ist in Notfällen sofort eine Ärztin oder ein Arzt zur Stelle. Gerade in ländlichen Regionen mangelt es an Notärztinnen und Notärzten und an durchgängig verfügbaren Spezialisten wie beispielsweise Neurologen in Krankenhäusern. Hier erfahren Sie, wie telemedizinische Notdienste und Tele-Stroke-Units die Patientenversorgung in Notfällen verbessern.
Auf einen Blick
- Telemedizinische Notdienste tragen dazu bei, die Überlebens- und Heilungschancen von Patientinnen und Patienten im Notfall zu verbessern.
- Tele-Notärztinnen und Tele-Notärzte unterstützen aus der Ferne die Rettungskräfte am Einsatzort, wenn dort kein Notarzt verfügbar ist.
- Insbesondere in ländlichen Regionen mit wenigen Notärzten können Menschen mittels zusätzlichem Tele-Notdienst zuverlässiger versorgt werden.
- Durch die Vernetzung mit Tele-Stroke-Units größerer Kliniken können auch kleinere Krankenhäuser eine Schlaganfall-Versorgung auf hohem Niveau leisten.
Wie unterstützt Tele-Medizin bei Notfällen?
In medizinischen Notfällen zählt oft jede Sekunde, um Leben zu retten oder bleibende Schäden zu vermeiden. Aber gerade in ländlichen Regionen fehlen Notärzte oder spezialisierte Schlaganfallstationen (Stroke-Units) in Krankenhäusern. Mit Hilfe der Tele-Medizin kann die Patientenversorgung in Notfällen verbessert werden. Tele-Notärztinnen und Tele-Notärzte unterstützen dafür von der Leitstelle aus die Rettungskräfte vor Ort. Sie helfen bei der Diagnosefindung und leiten aus der Ferne die Behandlung an. So können viele Notfälle wie zum Beispiel Blutdruck-Entgleisungen mit Unterstützung einer Tele-Notärztin oder eines Tele-Notarztes angemessen versorgt werden.
Außerdem sind heutzutage viele regionale Krankenhäuser ohne durchgängige Anwesenheit eines Neurologen digital an größere spezialisierte Kliniken angebunden. Das ermöglicht eine Zusammenarbeit mit der Stroke-Unit des größeren Krankenhauses, sodass Menschen mit Schlaganfällen auch in regionalen Kliniken mithilfe von Tele-Medizin angemessen behandelt werden können. In Deutschland wird heutzutage bereits fast jeder zehnte Schlaganfallpatient telemedizinisch mitbehandelt.
Was machen Tele-Notärztinnen und Tele-Notärzte?
Wenn ein Rettungswagen zu einem Notfall geschickt wird, ist häufig kein Arzt an Bord. Die Leitstelle entscheidet nach den Informationen der Anruferinnen und Anrufer, ob sie zusätzlich zu den Rettungsassistenten eine Notärztin oder einen Notarzt anfordert. Diese fahren unabhängig vom Rettungswagen zum Einsatzort und treffen häufig erst später ein. In vielen Situationen kann es aber auch sinnvoll sein, dass eine Tele-Notärztin oder ein Tele-Notarzt aus der Ferne die anwesenden Rettungskräfte vor Ort unterstützt.
In Deutschland haben Rettungsassistentinnen und -assistenten eingeschränkte Befugnisse zur Behandlung von Patientinnen und Patienten und zur Gabe von Medikamenten. Durch das Einbeziehen eines Tele-Notdienstes kann die Einschätzung der Notlage und eine erforderliche Behandlung früh und sicher erfolgen. Die Tele-Notärztin oder der Tele-Notarzt trägt dabei die Verantwortung für die eingeleitete Behandlung.
Vor allem in ländlichen Regionen gibt es oft nur wenige Notarztstellen, die große Gebiete abdecken müssen. Um trotzdem im Notfall schnelle ärztliche Einschätzungen und Behandlungen zu ermöglichen, richten daher immer mehr Kommunen zusätzlich zum herkömmlichen Rettungswesen einen Tele-Notdienst ein.
Wie funktioniert die Hilfe durch Tele-Notärztinnen und -ärzte?
Tele-Notärzte unterstützen die anwesenden Rettungskräfte aus der Ferne medizinisch und organisatorisch. Sie sind durch eine Live-Schaltung in Bild und Ton mit dem Rettungswagen verbunden. Umgekehrt können die Rettungskräfte dem Tele-Notdienst wichtige Informationen und Daten zum Blutdruck, zur Herzfunktion (EKG) und Atmung der Patientinnen und Patienten übertragen. Durch diese Zusammenarbeit kann die Tele-Notärztin oder der Tele-Notarzt die Rettungsteams vor Ort bei einer Einschätzung der Notfallsituation beraten und Behandlungen anleiten.
Welche Aufgaben übernimmt die Tele-Notärztin oder der Tele-Notarzt?
Zu den Hauptaufgaben einer Tele-Notärztin oder eines Tele-Notarztes gehört die Beratung und Anleitung der Rettungskräfte vor Ort. Tele-Notärzte können:
- bei der Diagnosefindung helfen
- Behandlungen genehmigen, etwa die Gabe von Medikamenten
- in Absprache mit den Rettungskräften bei Bedarf nachträglich eine Notärztin oder einen Notarzt zum Einsatzort bestellen
- die Notärztin oder den Notarzt am Einsatzort bei Entscheidungen beraten
- das Eintreffen der Patientinnen und Patienten in der jeweiligen Klinik ankündigen
- bei Weitertransporten und Verlegungen von Patientinnen und Patienten in ein anderes Krankenhaus beraten und begleiten
Bei welchen Notfällen kann der Tele-Notdienst helfen?
In Notfällen ohne akute Lebensgefahr übernimmt eine Notärztin oder ein Notarzt insbesondere die medizinische Beurteilung, die Anordnung von Behandlungen, beispielsweise durch Medikamente, oder die Entscheidung, ob ein Transport ins Krankenhaus erfolgen soll. Diese Aufgaben können auch vom Tele-Notdienst übernommen werden. Ein Tele-Notdienst kann so unter anderem unterstützen bei:
- Blutdruck-Entgleisungen
- Unterzuckerungen
- einer Schmerzbehandlung bei nicht lebensbedrohlichen Verletzungen
- einem Schlaganfall ohne Bewusstlosigkeit
Studien und Erfahrungen aus der bisherigen Versorgung haben gezeigt, dass nicht lebensbedrohliche Notfälle vom Tele-Notdienst mindestens genauso gut versorgt werden wie von einer Notärztin oder einem Notarzt vor Ort.
Gut zu wissen: Mitunter müssen Notärzte praktisch eingreifen, beispielsweise bei lebensbedrohlichen Verletzungen oder Bewusstlosigkeit. In solchen Fällen ist eine telemedizinische ärztliche Versorgung nicht ausreichend, kann aber überbrückend bis zum Eintreffen des Notarztes vor Ort eingesetzt werden.
Benötigen Tele-Notärzte eine spezielle Ausbildung?
Tele-Notärztinnen und Tele-Notärzte sind erfahrene, speziell geschulte Mediziner. Vor einem Einsatz im Tele-Notdienst muss eine Ärztin oder ein Arzt mehr als 500 reguläre Notfall-Einsätze durchgeführt und notfallmedizinische Zusatzqualifikationen erworben haben. Ärzte werden entsprechend geschult, bevor sie als Tele-Notärztin oder Tele-Notarzt tätig sein können.
Wie können Menschen mit einem Schlaganfall telemedizinisch versorgt werden?
Ein Schlaganfall ist ein medizinischer Notfall, bei dem eine schnelle Diagnose und Behandlung besonders entscheidend für den weiteren Krankheitsverlauf ist. Um eine bestmögliche Versorgung von Schlaganfallpatienten zu gewährleisten, haben viele größere Krankenhäuser daher eine spezialisierte Station (Stroke-Unit). Solche Stroke-Units verfügen über qualifizierte Ärzte- und Pflegeteams sowie spezielle Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten.
Kleinere, regionale Krankenhäuser haben jedoch nicht immer eine Stroke-Unit oder eine entsprechende Fachabteilung. Sie können eine spezielle Schlaganfallversorgung daher nicht rund um die Uhr gewährleisten. Deshalb schließen sich immer mehr Kliniken zu einem telemedizinischen Netzwerk zusammen.
Was ist eine Tele-Stroke-Unit?
Die Tele-Stroke-Unit unterstützt aus der Ferne die Versorgung von Menschen mit einem Schlaganfall. Die medizinischen Experten aus den großen Kliniken mit einer Stroke-Unit sind täglich 24 Stunden erreichbar. Durch ihre Unterstützung können auch Krankenhäuser ohne Stroke-Unit beziehungsweise ohne anwesenden Neurologen ein hohes Niveau in der Schlaganfallbehandlung gewährleisten. In Deutschland gibt es mittlerweile mehr als 20 telemedizinische Netzwerke, an denen mehr als 200 Kliniken beteiligt sind.
Wie arbeiten Tele-Stroke-Units?
Die neurologischen Expertinnen und Experten einer Tele-Stroke-Unit beraten und unterstützen die behandelnden Ärztinnen und Ärzte mithilfe digitaler Medien. So können sich die Experten sowohl an der Untersuchung als auch an der Behandlung der Patientinnen und Patienten beteiligen. Sie können beispielsweise aus der Ferne mit Unterstützung der Ärztin oder des Arztes vor Ort Untersuchungen mit einer ferngesteuerten, hochauflösenden Kamera durchführen. Auf diese Weise kann gemeinsam die bestmögliche Behandlung abgestimmt und eingeleitet werden. Dadurch entfällt häufig ein Transport in ein weiter entferntes Krankenhaus mit Stroke-Unit. In einigen Fällen ist jedoch weiterhin ein Transport in eine größere Klinik notwendig, beispielsweise für einen speziellen Eingriff.
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