Kinderlähmung (Polio)

Kinderlähmung ist eine sehr ansteckende Viruserkrankung, die zu bleibenden Lähmungen führen kann. Früher kam die Erkrankung bei Kindern häufig vor. Mit Impfungen kann man vorbeugen. Inzwischen gibt es Polioviren nur noch in wenigen Ländern. Ohne Immunschutz können auch Erwachsene erkranken.

Auf einen Blick

  • Kinderlähmung – auch bekannt als Polio – ist eine sehr ansteckende virale Infektionskrankheit.
  • Sie kommt nur noch in wenigen Ländern vor, besonders wenn schlechte hygienische Bedingungen herrschen.
  • Meistens zeigen sich nur leichte oder keine Krankheitszeichen.
  • Selten kann die Infektion zu bleibenden Lähmungen führen. Ist die Atemmuskulatur betroffen, kann man daran sterben.
  • Besteht kein Immunschutz durch eine Impfung oder eine durchgemachte Infektion, können auch Erwachsene Polio bekommen.
  • Eine Therapie gibt es nicht. Mit einer Polio-Impfung lässt sich aber vorbeugen. In Deutschland kommen dafür nur noch inaktivierte Impfstoffe zum Einsatz.

Hinweis: Die Informationen dieses Artikels können und sollen einen Arztbesuch nicht ersetzen und dürfen nicht zur Selbstdiagnostik oder -behandlung verwendet werden.

Ein Kind wird mit einer Spritze in den Oberarm geimpft.

Was ist Kinderlähmung?

Kinderlähmung ist eine sehr ansteckende Viruserkrankung, die zwischen 1900 und 1950 zu vielen Erkrankungen und Todesfällen bei Kindern geführt hat. Abgeleitet von dem lateinischen Begriff Poliomyelitis nennt man sie auch kurz Polio.

Durch weltweite Impfkampagnen ist das Poliovirus fast ausgerottet. Es kommt nur noch in wenigen Ländern vor, kann aber von dort nach Deutschland eingeschleppt werden. Besonders bei schlechten hygienischen Verhältnissen besteht ein Infektionsrisiko. Solange das Virus nicht ganz verschwunden ist, impft man Kinder frühzeitig dagegen.

Polio kommt nur noch in wenigen Ländern vor. Die Viren können aber von dort nach Deutschland eingeschleppt werden.

Kommt es zu einer Infektion mit Polioviren, treten in den meisten Fällen keine oder nur leichte Symptome auf. Bei etwa 1 von 200 infizierten Menschen zeigen sich jedoch Lähmungen, die sich nicht vollständig zurückbilden. Ist die Atemmuskulatur betroffen, kommt es zu einer lebensbedrohlichen Atemlähmung. Besteht kein Immunschutz, können auch Erwachsene an Kinderlähmung erkranken.

Welche Symptome treten bei Kinderlähmung auf?

Bei mehr als 95 Prozent der Menschen mit einer Poliovirus-Infektion treten gar keine Krankheitszeichen auf.

Wenn es zu Symptomen kommt, unterscheidet man drei Formen, die nacheinander auftreten:

  • Abortive Poliomyelitis: Das ist eine leichte Form ohne eine Beteiligung des Nervensystems.
  • Nicht paralytische Poliomyelitis: Das Nervensystem ist beteiligt, es kommt aber nicht zu Lähmungen.
  • Paralytische Poliomyelitis: Das Nervensystem ist beteiligt und es treten Lähmungen auf.

Polio ohne Beteiligung des Nervensystems

Diese leichte Form tritt bei 4 bis 8 Prozent der erkrankten Menschen auf und äußert sich mit allgemeinen Symptomen wie Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Fieber, Halsschmerzen, Muskel- und Kopfschmerzen.

Polio mit Beteiligung des Nervensystems und ohne Lähmungen

Sie tritt bei 2 bis 4 Prozent der infizierten Personen auf und macht sich etwa 3 bis 7 Tage nach Beginn der leichten Form bemerkbar. Symptome sind Fieber, Nackensteifigkeit, Rückenschmerzen und Muskelkrämpfe.

Polio mit Beteiligung des Nervensystems und mit Lähmungen

Sie tritt bei 0,1 bis 1 Prozent der Menschen mit Kinderlähmung auf und zeigt sich etwa 2 bis 3 Tage nach der nicht paralytischen Form. Es kommt zu einem erneuten Fieberanstieg mit starken Rücken-, Nacken- und Muskelschmerzen. Außerdem treten Lähmungen auf. Häufig sind verschiedene Beinmuskeln gelähmt – aber auch Arm-, Bauch-, Augen- und Atemmuskeln können betroffen sein.

Was ist die Ursache der Kinderlähmung?

Kinderlähmung ist eine Infektionskrankheit, die durch Polioviren ausgelöst wird. Polioviren gehören zu den Enteroviren und kommen im Magen-Darm-Trakt ausschließlich von Menschen vor.

Eine Ansteckung erfolgt über Stuhlverunreinigungen, die beispielsweise über die Hände in den Mund gelangen. Zu Beginn der Erkrankung vermehren sich die Viren im Rachen, sodass eine Übertragung über die Luft durch kleine Tröpfchen möglich ist.

Nach 3 bis 35 Tagen treten die ersten Krankheitszeichen auf. Die Ausscheidung der Viren mit dem Stuhl kann nach einer Infektion bis zu 6 Wochen lang anhalten. Die Ansteckungsgefahr ist besonders hoch, wenn Sanitäranlagen unsauber sind. Normale Reinigungsmittel können Polioviren nicht unschädlich machen.

Wie häufig ist die Kinderlähmung?

Früher waren Polioviren weltweit verbreitet. Da Kinder schon sehr früh mit den Viren in Kontakt kamen, zählte Polio zu den Kinderkrankheiten. Durch Impfungen konnte das Virus fast ausgerottet werden. Inzwischen kommt das ursprüngliche „Wildvirus“ nur noch in Pakistan und Afghanistan vor. In Deutschland gab es zuletzt 1990 eine Erkrankung mit dem „Wildvirus“.

Für die Impfungen gegen Polio benutzte man zunächst abgeschwächte, lebende Viren, die einen guten Immunschutz erzeugten. Der Impfstoff wurde direkt in den Mund oder auf ein Stück Zucker getropft. Deshalb hieß diese Impfung auch Schluckimpfung. Der Nachteil dieser „Impfviren“ war, dass sie in seltenen Fällen zu einer Impf-Polio führten. Solche Impferkrankungen gab es in Deutschland etwa 1 bis 2 pro Jahr.

Inzwischen gibt es einen inaktivierten Impfstoff, der ebenfalls eine gute Schutzwirkung erzeugt und keine Impf-Polio nach sich ziehen kann. In Deutschland wird seit 1998 nur noch der inaktivierte Impfstoff verwendet. In einigen anderen Ländern verabreicht man immer noch den abgeschwächten Lebendimpfstoff, sodass dort die Impf-Polio auftreten und sich verbreiten kann. In Krisenregionen sind oft nur wenige Menschen vollständig geimpft. Dadurch sind größere Impf-Polio-Ausbrüche möglich.

Wie funktioniert eine Impfung?

Im folgenden Video erfahren Sie, wie eine Impfung funktioniert.

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Wie verläuft eine Kinderlähmung?

Die leichte und die nicht paralytische Form der Kinderlähmung, bei der keine Lähmungen auftreten, können ohne bleibende Schäden ausheilen.

Die Lähmungen, die bei der paralytischen Form auftreten, bilden sich typischerweise nur teilweise, also nicht vollständig, zurück. Ist der Hirnstamm mit seinen lebenswichtigen Schaltzentren oder die Atmung von der Lähmung betroffen, kann man daran sterben.

Jahre bis Jahrzehnte nach der Erkrankung kommt es bei 30 bis 40 Prozent der Menschen mit Kinderlähmung zu einem Muskelschwund mit verstärkten Lähmungen. Medizinerinnen und Mediziner sprechen dann von einem Post-Polio-Syndrom.

Man vermutet, dass die ursprünglich gesunden Nerven die Funktion der geschädigten Nerven teilweise übernehmen und dadurch überlastet werden. Die chronische Überlastung führt dann zur weiteren Schädigung und einem Funktionsverlust.

Wie kann man der Kinderlähmung vorbeugen?

Es gibt keine spezielle Behandlung gegen Polioviren – also gegen die Erreger der Kinderlähmung. Daher ist die vorbeugende Polio-Impfung besonders wichtig.

Da es keine spezielle Behandlung gegen Polioviren gibt, ist die Impfung besonders wichtig.

Kinderlähmung kommt inzwischen kaum noch auf der Welt vor. Dennoch können Reisende oder Migrantinnen und Migranten Polioviren aus den Verbreitungsgebieten in andere Länder einschleppen. Die Weltgesundheitsorganisation hat das Ziel, die Erkrankung komplett auszurotten. Eine Impfung ist solange notwendig, bis auf der ganzen Welt keine Polioviren mehr vorkommen.

In Deutschland verwendet man nur noch den inaktivierten Impfstoff, der keine Erkrankung durch den Impfstoff („Impf-Polio“) hervorrufen kann. Üblicherweise ist er in dem Fünffach- oder Sechsfach-Kombinationsimpfstoff enthalten, der bereits für Säuglinge empfohlen wird. Die Grundimmunisierung erfolgt im 2., 4. und 11. Lebensmonat mit einer Spritze in den Muskel. Vollständig immunisiert und damit geschützt ist man, wenn man im Alter von 9 bis 16 Jahren eine Auffrischungsimpfung erhält. Personen, die ihre Grundimmunisierung im Erwachsenenalter erhalten haben, sollten den Impfschutz nach 10 Jahren auffrischen lassen.

Nach dieser Auffrischungsimpfung ist keine weitere Polio-Impfung notwendig. Bei Reisen in bestimmte Länder kann eine zusätzliche Auffrischung jedoch sinnvoll sein, wenn ein hohes Infektionsrisiko besteht.

Wichtig zu wissen: Der Verdacht auf eine Poliovirus-Infektion muss dem Gesundheitsamt gemeldet werden. Strenge Kontaktbeschränkungen und Hygienemaßnahmen verhindern, dass sich das Virus weiterverbreitet. Auch Kontaktpersonen können – sofern sie nicht vollständig geimpft sind und eine aktuelle Auffrischungsimpfung erhalten haben – von den Regelungen betroffen sein.

Wie stellt man eine Kinderlähmung fest?

Typisch für Kinderlähmung ist, dass die Gliedmaßen unterschiedlich stark von den Lähmungen betroffen sind. Das heißt, die Lähmungen sind nicht auf beiden Körperseiten gleich ausgeprägt.

Um eine eindeutige Diagnose zu stellen, ist es jedoch notwendig, den Erreger nachzuweisen. Der Nachweis von Polioviren gelingt mit einer Untersuchung einer Stuhlprobe im Labor. Manchmal machen Ärztinnen und Ärzte auch einen Rachenabstrich oder entnehmen Liquor – das ist Flüssigkeit, die das Rückenmark im Rückenmarkskanal der Wirbelsäule umgibt.

Wie wird Kinderlähmung behandelt?

Es gibt keine Medikamente, die gegen eine Infektion mit Polioviren wirksam sind. Die Behandlung der Kinderlähmung beschränkt sich deshalb auf unterstützende Maßnahmen, welche die Symptome lindern. In der akuten Erkrankungsphase sind das zum Beispiel fiebersenkende und schmerzlindernde Medikamente. Ist die Atemmuskulatur von Lähmungen betroffen, muss man die Atmung maschinell unterstützen.

Menschen mit bleibenden Lähmungen erhalten oft weitere, meist langwierige Behandlungen durch Orthopädinnen und Orthopäden sowie Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten. Das Ziel ist es, dass sie trotz Lähmungen selbstständig laufen können. Die Maßnahmen sollen ein Ungleichgewicht der Muskeln und Gelenkversteifungen vermeiden.

Liegt ein Post-Polio-Syndrom vor – eine recht häufige Folgeerkrankung der Infektion mit Polioviren – sind Ausdauertraining und Schmerzkontrolle weitere wichtige Bausteine einer lebenslangen Therapie.

Geprüft durch Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie e.V. (DGPI).

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