Ärztliche Schweigepflicht: Grundlage einer vertrauensvollen Arzt-Patienten-Beziehung

Ärztinnen und Ärzte müssen über die Geheimnisse ihrer Patientinnen und Patienten schweigen. Welche Informationen unter die Schweigepflicht fallen und welche Ausnahmen es gibt, erfahren Sie in diesem Artikel.

Auf einen Blick

  • Ärztinnen und Ärzte sind durch die Schweigepflicht gesetzlich verpflichtet, alle Informationen vertraulich zu behandeln, die sie in ihrer ärztlichen Rolle über ihre Patientinnen und Patienten erhalten.
  • Ausnahmen von der Schweigepflicht gibt es beispielsweise, wenn es eine gesetzliche Pflicht oder Erlaubnis zur Weitergabe gibt oder wenn eine Gefahr für andere Menschen besteht.
  • Patientinnen und Patienten können ihren Arzt oder ihre Ärztin für bestimmte Zwecke von der Schweigepflicht entbinden.
  • Verstößt ein Arzt oder eine Ärztin gegen die Schweigepflicht, kann das zu einer Strafe führen und berufsrechtliche Konsequenzen haben.
Verbindlicher Händedruck zwischen einer Person im Kittel und einer Person im Hemd.

Was ist die ärztliche Schweigepflicht?

Eine funktionierende Arzt-Patienten-Beziehung braucht Vertrauen. Eine wichtige Grundlage für dieses Vertrauen bildet die ärztliche Schweigepflicht. Sie legt fest, dass Ärztinnen und Ärzte gegenüber Dritten über die persönlichen Informationen ihrer Patientinnen und Patienten schweigen müssen. 

Die Schweigepflicht schützt das Grundrecht, dass jeder Mensch selbst darüber entscheiden darf, welche persönlichen Informationen er preisgibt und wer diese Informationen einsehen oder weiterverarbeiten darf. So soll sichergestellt werden, dass Patientendaten nicht ohne Einwilligung oder rechtliche Grundlage weitergegeben werden.

Die Schweigepflicht betrifft alle Informationen, die der Arzt oder die Ärztin in der ärztlichen Rolle über eine Person erfährt. Sie gilt auch über den Tod der Patientinnen und Patienten hinaus.

Ärztinnen und Ärzte sind durch die Schweigepflicht gesetzlich verpflichtet, alle Informationen vertraulich zu behandeln, die sie in ihrer ärztlichen Rolle über ihre Patientinnen und Patienten erhalten.

Wo ist die ärztliche Schweigepflicht festgelegt?

Die ärztliche Schweigepflicht ist in den ärztlichen Berufsordnungen der einzelnen Bundesländer vorgegeben. Die Wahrung des Patientengeheimnisses und die rechtlichen Folgen bei Verletzung dieser Pflicht sind im Strafgesetzbuch festgelegt. 

Zum Schutz der persönlichen Daten ihrer Patientinnen und Patienten müssen Ärztinnen und Ärzte außerdem die gesetzlichen Regelungen zum Datenschutz beachten.

Gut zu wissen: Die Schweigepflicht gilt nicht nur für Ärzte, sondern unter anderem auch für Zahnärzte, Psychotherapeuten, Apotheker, Sozialarbeiter sowie Mitarbeiter in öffentlichen Beratungsstellen. Auch medizinische Auszubildende und Medizinstudenten müssen die Schweigepflicht beachten. 

Welche Informationen fallen unter die ärztliche Schweigepflicht?

Die ärztliche Schweigepflicht betrifft persönliche Informationen, die nicht öffentlich zugänglich sind („Geheimnisse“). Dazu zählen unter anderem folgende Informationen:

  • Erkrankung
  • Krankengeschichte
  • Untersuchungsergebnisse
  • Therapiemaßnahmen
  • Prognose
  • Patientenakten
  • persönliche, berufliche, wirtschaftliche und finanzielle Verhältnisse der Patientin oder des Patienten

Die Schweigepflicht betrifft auch den Namen einer Person sowie die grundlegende Tatsache, dass die Person sich in Behandlung befindet. 

Anonymisierte Informationen sind nicht von der Schweigepflicht betroffen. Ein Arzt darf also zum Beispiel mit einem Kollegen Patienteninformationen besprechen und sich gemeinsam beraten, wenn die besprochenen Informationen dabei keiner bestimmten Person zugeordnet werden können.

Wichtig zu wissen: Es kann vorkommen, dass ein Arzt oder eine Ärztin im Patientengespräch persönliche Informationen über eine dritte Person erfährt. Auch diese Informationen sind von der Schweigepflicht geschützt, wenn erkennbar ist, dass diese geheim gehalten werden sollen. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn ein Patient seinem Arzt von der Erkrankung seines Nachbarn erzählt. 

Wem gegenüber gilt die Schweigepflicht?

Die Schweigepflicht gilt grundsätzlich gegenüber Dritten. Dazu gehören auch Ehepartner oder Familienangehörige der Patientin oder des Patienten. 

Bei minderjährigen Patientinnen und Patienten muss die Ärztin oder der Arzt sorgfältig abwägen, ob die Eltern über einen Sachverhalt informiert werden müssen. Entscheidend ist, ob die oder der Minderjährige in der Lage ist, seine oder ihre gesundheitliche Situation sowie die Schwere einer Erkrankung und die Risiken einer möglichen Behandlung einzuschätzen. Trifft dies zu, müssen Ärztinnen und Ärzte gegenüber den Eltern die Schweigepflicht einhalten.

Dem Arbeitgeber dürfen ebenfalls keine persönlichen Informationen der Patientinnen und Patienten mitgeteilt werden. Auf einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Arbeitgeber ist lediglich der Erkrankungszeitraum aber keine Angabe zur individuellen Erkrankung vorhanden.

Auch anderen Ärztinnen und Ärzten dürfen keine Patientengeheimnisse mitgeteilt werden. Falls mehrere Ärztinnen und Ärzte die gleiche Person behandeln und die Einwilligung dieser Person anzunehmen ist, dürfen jedoch im Rahmen der Behandlung Informationen über die betreffende Person ausgetauscht werden.

Wichtig zu wissen: Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dürfen Ärztinnen und Ärzte im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit Patienteninformationen weitergeben. Die beteiligten Personen sind ebenfalls zur Geheimhaltung verpflichtet. 

Was bedeutet die Schweigepflicht für die Weitergabe von Daten?

Persönliche Daten ihrer Patientinnen und Patienten dürfen Ärztinnen und Ärzte nur weitergeben, wenn

  • es eine gesetzliche Grundlage gibt, die dies erlaubt oder sogar erforderlich macht oder
  • die Patientin oder der Patient eingewilligt hat.

Wann sind Ärztinnen und Ärzte verpflichtet, Patientendaten weiterzuleiten?

In manchen Fällen sind Ärztinnen und Ärzte gesetzlich verpflichtet, Patienteninformationen an bestimmte Stellen weiterzuleiten. Dafür muss keine Einwilligung von Patientenseite vorliegen. 

Ansteckende Erkrankungen mit Meldepflicht 

Für manche ansteckende Erkrankungen besteht eine Meldepflicht. Wenn bei einer Person eine solche Erkrankung festgestellt wurde, muss dies an das Gesundheitsamt gemeldet werden. Einige Erkrankungen werden anonymisiert gemeldet, zum Beispiel HIV. Andere Erkrankungen müssen namentlich gemeldet werden, unter anderem Masern und Röteln. Durch die Meldung sollen Ausbrüche verhindert beziehungswiese rasch erkannt werden.

Krebserkrankungen 

Krebserkrankungen werden an sogenannte Krebsregister gemeldet. Die Krebsregister speichern Daten zu Krebsdiagnosen, Erkrankungsverlauf und Behandlung. Mit diesen Daten soll beispielsweise die Wirksamkeit von Therapien untersucht und somit die Behandlung von Krebs verbessert werden. Gegen die personalisierte Speicherung ihrer Daten im Krebsregister können Patientinnen und Patienten Widerspruch einlegen.

Kostenabrechnungen der Krankenkasse oder Berufsgenossenschaft 

Zur Abrechnung von Behandlungen müssen bestimmte Patientendaten an die Kassenärztliche Vereinigung und die Krankenkasse weitergegeben werden. 

Ähnliches gilt für die Datenübermittlung an die Berufsgenossenschaften, wenn ein Arzt die Behandlung nach einem Berufsunfall beziehungsweise bei einer Berufskrankheit übernimmt. Hier müssen diejenigen Patientendaten weitergeleitet werden, die für die Entscheidung zur Behandlung maßgeblich waren.

Gutachten durch den Medizinischen Dienst  

Im Rahmen von Gutachten und Prüfungen müssen auch dem Medizinischen Dienst Patientendaten zur Verfügung gestellt werden. Dabei dürfen ausschließlich Daten übermittelt werden, die zur Aufgabenerfüllung notwendig sind.

Ansteckende Erkrankungen mit Meldepflicht, Krebserkrankungen, Kostenabrechnungen durch Krankenkassen oder Berufsgenossenschaften sowie Gutachten durch den Medizinischen Dienst müssen an Einrichtungen im Gesundheitswesen weitergeleitet werden.

Weitere Situationen 

Personenbezogene Daten müssen außerdem an die zuständigen Behörden oder Personen übermittelt werden,

  • wenn ein Kind geboren wurde
  • wenn eine Person verstorben ist
  • wenn der Arzt oder die Ärztin von einem geplanten Verbrechen wie einem Mord erfährt

Gut zu wissen: Erfährt ein Psychiater beispielsweise von seinem Patienten, dass dieser einen Anschlag an einem öffentlichen Ort plant, dann ist der Psychiater dazu verpflichtet, die zuständigen Behörden zu verständigen.  

In welchen weiteren Situationen dürfen Ärztinnen und Ärzte trotz Schweigepflicht Informationen weitergeben?

In einigen begründeten Fällen dürfen Ärztinnen und Ärzte von der Schweigepflicht abweichen. 

Gefährdung eines Kindes 

Wenn Ärztinnen und Ärzte den Verdacht haben, dass ein Kind misshandelt oder vernachlässigt wird, dürfen sie das Jugendamt informieren. Dabei gilt, dass die Situation erst mit den Erziehungsberechtigten besprochen werden muss. Falls daraus jedoch eine erhöhte Gefahr für das Kind hervorgehen würde, darf auch direkt das Jugendamt kontaktiert werden. Bei dringender Gefahr für das Wohl des Kindes besteht für den Arzt oder die Ärztin eine Pflicht, die Behörden zu informieren.

Gefährdung anderer Personen 

In bestimmten Situationen dürfen Ärztinnen und Ärzte von der Schweigepflicht abweichen, um andere Menschen zu schützen. Ein Arzt kann zum Beispiel berechtigt sein, die Verwaltungsbehörde zu benachrichtigen, wenn ein Patient als Kraftfahrer am Straßenverkehr teilnimmt, obwohl er aufgrund einer Erkrankung wie einer Alkoholsucht oder Epilepsie dabei sich und andere gefährdet. Vorher muss der Arzt oder die Ärztin allerdings  versuchen, die Person von dem gefährdenden Verhalten abzubringen.

In bestimmten Situation dürfen Ärztinnen und Ärzte von der Schweigepflicht abweichen, etwa wenn die Gesundheit oder das Leben anderer Menschen gefährdet sind.

Medizinische Notlage

Manchmal kann eine Person einen Arzt nicht von der Schweigepflicht entbinden, etwa bei Bewusstlosigkeit nach einem schweren Unfall. In solchen Situationen dürfen persönliche Daten erhoben, genutzt und an andere Behandelnde weitergegeben werden, um Leben und Gesundheit zu schützen. Voraussetzung dafür ist eine mutmaßliche Einwilligung. Das bedeutet, der Arzt oder die Ärztin geht davon aus, dass die betroffene Person in der jeweiligen Situation mit der Nutzung und Weitergabe ihrer Daten einverstanden wäre.

Ehegatten dürfen die Gesundheitsangelegenheiten des jeweils anderen übernehmen, wenn dieser krankheitsbedingt handlungsunfähig ist und keine Vorsorgevollmacht existiert. Dies regelt das Notvertretungsrecht für Ehepaare. Ärzte sind in solchen Fällen gegenüber dem Ehepartner nicht an die Schweigepflicht gebunden.

Berechtigte Interessen des Arztes 

Von der Schweigepflicht kann in Ausnahmefällen auch wegen berechtigter eigener Interessen des Arztes oder der Ärztin abgewichen werden. Ein Beispiel dafür wäre, wenn ein Arzt keine andere Möglichkeit hat, als eine Honorarforderung gegenüber einem Patienten durch einen Anwalt oder gerichtlich durchzusetzen. Ein weiterer denkbarer Fall wäre, wenn ein Arzt sich vor einer Strafverfolgung verteidigen muss und dies nur wirksam tun kann, indem er ein Patientengeheimnis preisgibt.

Wie funktioniert eine Entbindung von der Schweigepflicht?

Ärztinnen und Ärzte dürfen Patienteninformationen weitergeben, wenn eine Einwilligung der betroffenen Person vorliegt. Viele Patientinnen und Patienten kennen solche Entbindungserklärungen beispielsweise als Formblatt mit dem Titel „Einwilligung in die Weitergabe personenbezogener Daten“ oder „Entbindung von der Schweigepflicht“.

Für eine wirksame Entbindungserklärung gibt es folgende Kriterien:

  • Die Entbindung muss auf dem freien Willen der Patientin oder des Patienten beruhen.
  • Der Zweck der Entbindung muss konkret bestimmt sein. Eine pauschale Entbindung von der Schweigepflicht ist nicht zulässig.
  • Die Stelle, an die die Daten übermittelt werden, muss konkret festgelegt sein.
  • Die schriftliche Form der Entbindungserklärung ist in der Regel nicht nötig, aus ärztlicher Sicht jedoch sinnvoll.

Die Entbindung von der Schweigepflicht kann jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden.

 

Kriterien für eine Entbindungserklärung von der Schweigepflicht: Freier Patientenwille, konkreter Zweck, konkreter Datenempfänger, schriftliche Form empfohlen.

Was gilt als Verletzung der Schweigepflicht?

Eine Verletzung der Schweigepflicht liegt dann vor, wenn ein Arzt oder eine Ärztin ohne Einwilligung der Patienten oder des Patienten oder ohne gesetzliche Grundlage Patienteninformationen weitergibt. Darüber hinaus zählt auch als Verletzung, wenn Patienteninformationen aus Fahrlässigkeit nicht ausreichend geschützt werden. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn Patientendaten in der Arztpraxis ohne ausreichende Schutzvorkehrungen von Unbefugten eingesehen werden können oder wenn die persönlichen Patientendaten unverschlüsselt über E-Mail oder Messenger übermittelt werden.

Was passiert, wenn die Schweigepflicht verletzt wurde?

Verletzt ein Arzt oder eine Ärztin die Schweigepflicht, kann das schwerwiegende rechtliche Folgen haben. Nach dem Strafgesetzbuch droht eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe, wenn ein vertrauliches Geheimnis eines Patienten offengelegt wird. Auch Ansprüche auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld können geltend gemacht werden. Die jeweilige Ärztekammer kann zum Beispiel eine Verwarnung aussprechen oder Geldbußen fordern.

An wen können sich betroffene Patientinnen und Patienten wenden?

Besteht der Verdacht auf eine Verletzung der Schweigepflicht, können Patientinnen und Patienten sich an die zuständige Ärztekammer wenden. Auch Beratungsstellen wie die Stiftung Unabhängige Patientenberatung Deutschland können Unterstützung bieten.

Patientinnen und Patienten können auch einen Strafantrag bei der Polizei oder Staatsanwaltschaft stellen, wenn sie möchten dass die Schweigepflichtverletzung strafrechtlich verfolgt wird.

Gut zu wissen: Neben den Regelungen zur Schweigepflicht existieren auch noch weitere Gesetze, die die Arzt-Patienten-Beziehung und die Rechte von Patientinnen und Patienten regeln. Einen Überblick bietet die Seite Rechte für Patienten

Geprüft durch die Stiftung Unabhängige Patientenberatung Deutschland.

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