Zwangsstörung

Menschen mit einer Zwangsstörung waschen sich zum Beispiel aus Angst vor Krankheitserregern sehr häufig die Hände. Solch ein Zwang kann sich derart verstärken, dass er den Alltag komplett bestimmt. Es gibt Therapien, mit denen sich Zwangsstörungen behandeln und gut in den Griff bekommen lassen. 

Auf einen Blick

  • Das Leben von Menschen mit einer Zwangsstörung ist geprägt von Zwangsgedanken und Zwangshandlungen.
  • Ist die Störung sehr stark ausgeprägt, kann das sehr belasten und einen normalen Alltag unmöglich machen.
  • Zwangsgedanken und -handlungen willentlich zu unterdrücken, gelingt meist nicht und löst oft Ängste aus.
  • Eine Verhaltenstherapie hilft, gut mit einer Zwangsstörung leben zu lernen.
  • Auch Medikamente können zum Einsatz kommen.

Hinweis: Die Informationen dieses Artikels können und sollen einen Arztbesuch nicht ersetzen und dürfen nicht zur Selbstdiagnostik oder -behandlung verwendet werden.

Person steht an akkurat ausgerichteten Pflastersteinen.

Was ist eine Zwangsstörung?

Kaum hat man das Haus verlassen und sitzt im Auto, fragt man sich, ob man die Herdplatte ausgeschaltet hat oder ob die Wohnungstür abgeschlossen ist. Dieses unangenehme Gefühl kennt jeder. Bei manchen Menschen ist aber die Angst davor, etwas vergessen oder einen leicht vermeidbaren Fehler gemacht zu haben, so groß, dass sie einen Kontrollzwang entwickeln. Ein solcher Zwang kann sich derart verstärken, dass er mit der Zeit den gesamten Alltag bestimmt.

Wichtig zu wissen: Mit einer geeigneten Behandlung lassen sich die Auswirkungen einer Zwangsstörung so weit abmildern, dass wieder ein weitgehend normales Leben möglich ist.

Welche Anzeichen deuten auf eine Zwangsstörung hin?

Eine Zwangsstörung äußert sich durch Zwangsgedanken und Zwangshandlungen.

Zwangsgedanken sind belastende Gedanken, die sich stetig wiederholen und ungewollt in den Vordergrund drängen. Zu den häufigsten Zwangsgedanken gehören quälende Sorgen, etwas vergessen zu haben oder sich mit Krankheitserregern zu infizieren. 

Als Zwangshandlungen werden Rituale bezeichnet, die Menschen mit einer Zwangsstörung häufig wiederholen. Ziel dieser Rituale ist es, die belastenden Zwangsgedanken loszuwerden und sich wieder zu beruhigen. 

Menschen, die zum Beispiel einen Wasch- oder Putzzwang entwickeln, haben Angst vor Schmutz und der Übertragung von Krankheiten. Dies führt dazu, dass sie sich ständig die Hände waschen oder andauernd die Wohnung putzen.

Menschen mit einem Ordnungszwang sind davon überzeugt, dass sich Gegenstände auf dem Schreibtisch, in Regalen oder in der gesamten Wohnung an einem bestimmten Platz in einer bestimmten Ausrichtung befinden müssen. Ist das einmal nicht der Fall, werden sie unruhig. Diese Nervosität steigert sich zur Angst, wenn das gewohnte Ritual – zum Beispiel die vermeintlich korrekte Anordnung von Gegenständen – nicht ausgeführt wird.

Mögliche Anzeichen einer Zwangsstörung: Waschzwang, Putzzwang, Ordnungszwang.

Viele Menschen mit Zwangsgedanken und Zwangshandlungen empfinden diese selbst als übertrieben oder sinnlos. Durch willentliches Gegensteuern lassen sich die Gedanken und Handlungen aber nicht abstellen. Daraus entsteht oft ein Gefühl von Machtlosigkeit, was Ängste verstärkt. Manche Menschen befürchten sogar, „verrückt“ zu werden.

Welche Ursachen hat eine Zwangsstörung?

Bei der Entstehung einer Zwangsstörung kommen wahrscheinlich mehrere Ursachen zusammen: Dazu gehören vermutlich das Auftreten von Zwangsstörungen in der Familie (familiäre Veranlagung), psychische Faktoren und äußere Umstände.

So kann sich eine Zwangsstörung infolge eines Traumas entwickeln, also eines Schicksalsschlags oder einer schweren Lebenskrise. Manche Menschen mit einer Zwangsstörung haben zum Beispiel in der Kindheit durch wiederholte Misshandlungen oder den Tod der Eltern ein schweres Trauma erfahren. 

Darüber hinaus können möglicherweise bestimmte Persönlichkeitsmerkmale die Entwicklung einer Zwangsstörung fördern. Manche Menschen, bei denen sich eine Zwangsstörung entwickelt, besitzen ein starkes Verantwortungsbewusstsein und sind besonders gewissenhaft. Sie haben mitunter große Angst, Fehler zu machen.

Wie viele Menschen haben eine Zwangsstörung?

Es wird geschätzt, dass bis zu 3 von 100 Menschen in Deutschland im Lauf ihres Lebens eine Zwangsstörung entwickeln. Zwangsstörungen zeigen sich häufig bereits im Kindesalter und bei jungen Menschen. Grundsätzlich können sie aber in jeder Lebensphase auftreten.

Wie verläuft eine Zwangsstörung?

Eine Zwangsstörung entwickelt sich nicht plötzlich, sondern im Lauf der Zeit. Viele Menschen mit Zwängen erkennen erst nach und nach, dass ihre Rituale immer mehr Zeit und Energie in Anspruch nehmen. Eine fortgeschrittene Zwangsstörung kann zu Problemen im Beruf, im privaten Umfeld und in der Partnerschaft führen. Bei manchen ist irgendwann das gesamte Leben von Zwängen und Ritualen bestimmt.

Wie sich eine Zwangsstörung entwickelt, ist individuell verschieden. Die Beschwerden können zeitweise abnehmen, um sich dann wieder zu verstärken. Manche Menschen erleben auch beschwerdefreie Wochen oder Monate. Auch die Art der Zwänge kann sich mit der Zeit verändern.

Unbehandelt wird eine Zwangsstörung häufig chronisch. Viele Menschen benötigen professionelle Hilfe, um mit ihren Zwängen gut umgehen und ihren Alltag bewältigen zu können. 

Wie wird eine Zwangsstörung diagnostiziert?

Eine Zwangsstörung ist manchmal nicht so einfach von einer anderen Störung mit ähnlichen Symptomen zu unterscheiden. Wer sich zum Beispiel dauernd Sorgen um die Zukunft macht, kann unter Umständen auch eine generalisierte Angststörung haben. 

Zudem kann eine Zwangsstörung zusammen mit anderen psychischen Erkrankungen und Problemen auftreten. Viele Menschen mit einer Zwangsstörung haben gleichzeitig Depressionen. Beide Erkrankungen können sich dann gegenseitig verstärken.

Für eine verlässliche Diagnose ist es sinnvoll, sich zunächst bei der Hausärztin oder dem Hausarzt vorzustellen. Außerdem ist es möglich, einen Termin in einer psychotherapeutischen Praxis zu vereinbaren. In einem Gespräch werden insbesondere Fragen zur Art der Zwangsgedanken und Zwangshandlungen gestellt, beispielsweise:

  • Kommen Ihnen immer wieder bestimmte Gedanken oder Bilder in den Sinn, die Sie vergeblich versuchen loszuwerden?
  • Was unternehmen Sie, damit diese Gedanken und Bilder verschwinden?
  • Haben Sie das Gefühl, dass Ihre Handlungen unsinnig oder übertrieben sind?
  • Haben Sie den Eindruck, bestimmte Dinge gegen Ihren Willen immer wieder tun zu müssen?

Wichtig zu wissen: Um die Diagnose zu stellen, müssen die Zwänge seit mindestens 2 Wochen bestehen. Die Zwänge müssen dabei an den meisten Tagen auftreten oder das alltägliche Leben beeinträchtigen. Manchmal wirkt sich eine Zwangsstörung auch körperlich aus: beispielsweise in Form rissiger Hände bei einem Waschzwang.

Wie lässt sich eine Zwangsstörung behandeln?

Eine psychotherapeutische Behandlung hilft, Zwangsgedanken und Zwangshandlungen so weit abzumildern, dass ein normaler Alltag möglich ist. Heilen kann man Zwangsstörungen jedoch nicht.

Eine Zwangsstörung lässt sich nicht heilen, aber mit professioneller Hilfe in den Griff bekommen.

Die am häufigsten empfohlene Form der Psychotherapie ist die kognitive Verhaltenstherapie. Als Teil der Verhaltenstherapie oder ergänzend können Entspannungstechniken wie Autogenes Training oder Atemübungen dazu beitragen, die Beschwerden einer Zwangsstörung in den Griff zu bekommen.

Zusätzlich zur Psychotherapie ist es möglich, Medikamente einzunehmen. In der Regel werden Antidepressiva verordnet – Medikamente, die üblicherweise bei Depressionen zum Einsatz kommen. Ärztinnen und Ärzte können diese Medikamente auch verordnen, um eine Wartezeit bis zum Beginn einer Psychotherapie zu überbrücken.

Vertiefende Informationen zur Behandlung einer Zwangsstörung lesen Sie auf gesundheitsinformation.de.

Wie sieht der Alltag von Menschen mit einer Zwangsstörung aus?

Eine Zwangsstörung ist oft belastend und kann sehr viel Zeit kosten. Die Zwänge können sogar so stark werden, dass ein normales Leben nicht mehr möglich ist. Viele Menschen mit einer Zwangsstörung schämen sich für ihre Zwangsgedanken oder -handlungen. Sie versuchen deshalb, ihre Zwänge vor anderen zu verheimlichen. Das kann äußerst kräftezehrend sein.

Menschen mit einer Zwangsstörung zögern oft lange, bevor sie sich Hilfe suchen und ihrer Partnerin, ihrem Partner oder anderen Nahestehenden davon erzählen. Manche sorgen sich, dass das Wissen über ihre Erkrankung das Berufs- und Familienleben negativ beeinflusst. Nach einer erfolgreichen Behandlung bedauern wiederum viele, nicht schon früher Hilfe in Anspruch genommen zu haben.

Eine Zwangsstörung wirkt sich auch auf das Verhalten von Angehörigen aus. Diese können sich beispielsweise gezwungen fühlen, ein bestimmtes Ordnungsmuster einzuhalten, um die betroffene Person nicht mit vermeintlicher Unordnung nervös zu machen.

Insbesondere Eltern hadern oft mit sich, weil ihnen die Zwänge ihres Kindes nicht früher aufgefallen sind. Es ist normal, dass es einige Zeit dauert, bis eine Zwangsstörung von Angehörigen bemerkt wird. Die Gründe dafür sind vielfältig: Manche Menschen mit einer Zwangsstörung setzen alles daran, die Zwänge zu verdecken. Andere erkennen ihre Zwänge lange selbst nicht oder wollen keine Hilfe annehmen.

Doch gerade die eigene Familie und der Freundeskreis können eine wichtige Hilfe sein: Denn nahe Verwandte, Lebenspartnerinnen und Lebenspartner oder enge Freundinnen und Freunde zeigen in der Regel mehr Verständnis als Außenstehende. Wenn enge Bezugspersonen in die Therapie eingebunden sind, kann es leichter fallen, sich den Ängsten und Zwängen zu stellen. Nach dem Ende der Therapie kann das ein wichtiger Faktor sein, um den erreichten Erfolg langfristig zu erhalten.

Wo finde ich weitere Unterstützung bei Zwangsstörungen?

Selbsthilfegruppen bieten Menschen mit Zwangsstörungen und ihren Angehörigen die Möglichkeit, sich zu informieren und beraten zu lassen sowie persönliche Erfahrungen auszutauschen. Oft hilft solch ein Austausch, besser mit den Zwangsimpulsen umzugehen. Bücher und Websites, die gute und seriöse Informationen zum Thema Zwangsstörungen anbieten, sind für manche ebenfalls eine gute Hilfe.

Auf der Website der Nationalen Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen (NAKOS) können Sie über eine Datenbank geeignete Selbsthilfeangebote finden.

In Zusammenarbeit mit dem Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG).

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