Digitalisierung in der Pflege

Die Digitalisierung in der Pflege hat viele Vorteile: Sie kann die Selbstständigkeit und Gesundheitsversorgung älterer und pflegebedürftiger Menschen stärken. Auch Pflegende profitieren. Der Einsatz sollte gut überlegt sein, da ethische und rechtliche Fragen ebenfalls eine Rolle spielen.

Auf einen Blick

  • Digitale Technik kann die Selbstständigkeit von älteren und pflegebedürftigen Menschen stärken und ihre Gesundheitsversorgung verbessern.
  • Beispiele sind Beratung über Telepflege, digitale Assistenzsysteme und digitale Pflegeanwendungen (DiPA).
  • Menschliche Zuwendung lässt sich durch Technik nicht vollständig ersetzen. Pflegende Angehörige und Pflegekräfte können aber körperlich und seelisch entlastet werden.
  • Der Einsatz der Technologien sollte gut abgewägt und in jedem Fall mit der älteren oder pflegebedürftigen Person abgestimmt werden.
Älterer Mann mit technischem Hilfsgerät.

Was bringt die Digitalisierung in der Pflege?

Die Digitalisierung – oder digitale Technik – kann für ältere und pflegebedürftige Menschen in vielen Lebensbereichen hilfreich sein: Sie können weitgehend ihren täglichen Routinen nachgehen, ohne dafür auf Hilfe von anderen angewiesen zu sein. Risiken im Alltag lassen sich reduzieren und die Kommunikation mit ihrem sozialen Umfeld wird erleichtert. Zudem bietet die Digitalisierung Möglichkeiten, die Gesundheitsversorgung zu verbessern sowie pflegende Angehörige und Pflegekräfte zu unterstützen.

Digitale Technik kann für ältere und pflegebedürftige Menschen in vielen Lebensbereichen hilfreich und nützlich sein.

Die digitale Technik kann die Unterstützung und Zuwendung durch einen Menschen nicht vollständig ersetzen. Sie wird in der Pflege aber immer wichtiger werden. Denn ihr Einsatz kann dazu beitragen, den Herausforderungen durch den demographischen Wandel gerecht zu werden: In den kommenden Jahrzehnten wird die Zahl älterer und pflegebedürftiger Menschen mit Unterstützungsbedarf stetig wachsen. Schon jetzt lässt sich absehen, dass nicht genügend Pflegekräfte zur Verfügung stehen werden, um dies zu bewältigen.

Trotz dieser Vorteile kann der Einsatz digitaler Technologien die Menschenrechte von älteren und pflegebedürftigen Menschen einschränken oder verletzen. Der Nutzen durch Technik sollte daher mit den rechtlichen und ethischen Fragen im Einzelfall abgewägt werden. Dabei ist mitzuberücksichtigen, dass digitale Technik immer mehr in der Lage sein wird, selbstständig dazuzulernen und Menschen in ihren Entscheidungen zu beeinflussen.

Welche digitale Technik kann in der Pflege zum Einsatz kommen?

Viele digitale Produkte für die Pflege sind noch in der Entwicklungs- und Testphase. Doch schon jetzt können einige von ihnen ältere und pflegebedürftige Menschen sowie Pflegende wesentlich unterstützen.

Digitale Technologien, die in der Pflege angewandt werden:

  • Vernetzung im Gesundheitswesen
  • Apps und Web-Anwendungen
  • digitale Assistenzsysteme und Pflegehilfsmittel
  • Robotersysteme
  • Videoberatung und Online-Schulungen
Digitalisierung in der Pflege: Vernetzung im Gesundheitswesen, Apps und Web-Anwendungen, digitale Assistenzsysteme und Pflegehilfsmittel, Robotersysteme und Online-Angebote.

Vernetzung im Gesundheitswesen

Die Pflege wird Schritt für Schritt an die Telematikinfrastruktur (TI) angebunden und auf diese Weise mit anderen Akteuren des deutschen Gesundheitswesens digital vernetzt.

Für pflegebedürftige Menschen bedeutet dies unter anderem, dass zukünftig Pflegeunterlagen in der elektronischen Patientenakte (ePA) abgespeichert werden können, beispielsweise der Pflegeüberleitungsbogen. Softwarehersteller von E-Pflegedokumentation arbeiten außerdem daran, dass zusätzlich die fortlaufende Pflegedokumentation in der ePA gespeichert werden kann.

Durch die Vernetzung werden ambulante Pflegedienste und Pflegeeinrichtungen die Möglichkeit bekommen, in der ePA freigegebene Dokumente – wie Untersuchungsergebnisse oder den E-Medikationsplan – einzusehen sowie Nachrichten und Dokumente über einen sicheren Kommunikationskanal auszutauschen.

Gibt die pflegebedürftige Person entscheidende Dokumente für Haus- oder Fachärztinnen und -ärzte sowie Pflegekräfte frei, kann die Zusammenarbeit verbessert werden: Die zuständigen Fachleute erhalten auf diese Weise einen schnelleren und kontinuierlichen Einblick in den Gesundheitszustand der pflegebedürftigen Person und können die medizinische Behandlung auf die Pflege abstimmen.

Apps und Web-Anwendungen

Pflege-Apps und Webanwendungen auf dem Smartphone oder Computer können Pflegebedürftige zu Hause darin unterstützen, ihren Pflegealltag besser zu organisieren und zu bewältigen. Beispiele sind Trainings und Übungen zum Senken des Sturzrisikos oder personalisierte Gedächtnisspiele für Menschen mit Demenz. Auch die Zusammenarbeit und der Austausch zwischen Angehörigen und ambulanten Pflegediensten lassen sich durch Apps verbessern.

Ist eine Anwendung als Digitale Pflegeanwendung (DiPA) zugelassen, kann man hierfür einen Zuschuss bei der Pflegekasse beantragen.

Digitale Assistenzsysteme und Pflegehilfsmittel

Digitale Assistenzsysteme und Pflegehilfsmittel können es älteren und pflegebedürftigen Menschen ermöglichen, weiter in der eigenen Wohnung zu leben. Sie unterstützen beispielsweise bei alltäglichen Aufgaben und beim selbstständigen Umgang mit Krankheiten oder Therapien. Außerdem sind sie in der Lage, das Verhalten und die Gesundheit älterer Menschen zu überwachen, um im Notfall eingreifen zu können.

Der Hausnotruf ist ein Beispiel für ein digitales Assistenzsystem, das bereits seit Jahren eingesetzt wird: Per Notfallknopf am Handgelenk lässt sich an Ort und Stelle unkompliziert Hilfe rufen. In den letzten Jahren wurde dieses System weiterentwickelt und getestet: Beispielsweise geben über die Wohnung verteilte Sensoren eine Warnung ab, sobald sie längere Zeit keine Bewegung registriert haben oder wenn die Kühlschranktür über einen bestimmten Zeitraum nicht geöffnet wurde.

Digitale Erinnerungs- und Orientierungshilfen helfen, im Alltag selbstständig zu bleiben. Beispiele sind digitale Medikamentenspender, GPS-Tracker, Rauchmelder mit Herdabschaltung sowie Trittmatten, die einen stillen Alarm auslösen, wenn demente Personen ihr Bett verlassen.

Die Verbraucherzentralen bieten Informationen, unter welchen Voraussetzungen die Kosten für solche Produkte von Pflege- oder Krankenkassen übernommen werden, und geben Tipps zur Beantragung.

Robotersysteme

Die Unterstützung durch Robotertechnik steht in Deutschland noch am Anfang. Doch schon heute gibt es Assistenzroboter, die Routineaufgaben im Service übernehmen können, beispielsweise die Versorgung mit Mahlzeiten und Medikamenten. Therapieroboter werden zunehmend bei Menschen mit Demenz eingesetzt, um geistige und kommunikative Fähigkeiten zu trainieren.

Videoberatung und Online-Schulungen

Ratsuchende sollen vermehrt Beratung und Schulungen digital wahrnehmen können. So kann die Pflegeberatung (§ 7a SGB XI) auf Wunsch per Videotelefonie stattfinden.

Bei konkreten Fragen im Pflegealltag sollen sich Pflegebedürftige und ihre Angehörigen künftig über Videotelefonie schnellen Rat und Anleitung von Pflegefachkräften einholen können, der sogenannten Telepflege. Dies wird ab 2022 in einem Modellvorhaben erprobt.

Schon jetzt bieten viele Kranken- und Pflegekassen Onlineschulungen an, in denen praktisches Pflegewissen vermittelt wird. Das „E-Learning“ ist für Angehörige und Personen, die ehrenamtlich in der Pflege arbeiten möchten, kostenlos.

Was sollte man beim Einsatz von digitaler Technik in der Pflege bedenken?

Das Thema „Digitalisierung in der Pflege” birgt viele ethische und rechtliche Fragen. Die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN-BRK) schreibt vor, dass digitale Technik bezahlbar und zugänglich sein muss, sodass alle Menschen sie gleichberechtigt nutzen können.

Der Einsatz von Technologien kann jedoch die Menschenrechte von älteren und pflegebedürftigen Menschen einschränken oder verletzen.

Menschenrechte

Folgende Menschenrechte können beispielsweise eingeschränkt werden:

  • Digitale Technik ermöglicht es Menschen mit Hilfs- und Pflegebedarf, weitgehend selbstständig ihre Alltagsroutinen zu meistern. Gleichzeitig kann ein übermäßiger Einsatz von Technik sie in ihrem Zuhause isolieren und zu Vereinsamung beitragen. Das Recht, in die Gemeinschaft einbezogen zu sein, kann dadurch verletzt werden.
  • Assistenzsysteme, die die Gesundheit und Bewegung von Menschen mit geistigen Beeinträchtigungen überwachen, sorgen für Sicherheit. Jedoch kann durch diese Technologien ihre Privatsphäre verletzt werden – sowie ihr Recht selbst zu entscheiden, wer in welche persönlichen Daten Einblick erhält (informationelle Selbstbestimmung).
  • Je mehr digitale Technik in der Lage ist, dazuzulernen, also Daten auszuwerten und daraus Vorschläge für zukünftiges Verhalten abzuleiten, desto stärker kann sie Entscheidungen beeinflussen und die Selbstbestimmung reduzieren: Menschen können beispielsweise in ihren Wahlmöglichkeiten eingeschränkt werden und die Kontrolle über bestimmte Vorgänge verlieren.

Ältere und pflegebedürftige Menschen haben das Recht, über ihre Lebensführung zu bestimmen – also auch, digitale Unterstützung abzulehnen. Jede Anwendung muss mit der betreffenden Person vorab besprochen und abgestimmt werden. Dafür muss sie zu digitalen Technologien informiert oder geschult werden, damit sie Risiken und die konkreten Vorteile von bestimmten Technologien abwägen kann.

Auf der anderen Seite kann digitale Technik pflegende Angehörige und professionell Pflegende körperlich wie seelisch entlasten: Freiräume und Erleichterungen sind für die eigene Gesundheit wichtig.

Entscheidungshilfe

Der Nutzen eines digitalen Produkts muss daher mit rechtlichen und ethischen Fragen im Einzelfall individuell abgewägt werden. Das gilt besonders, wenn andere für ältere und pflegebedürftige Personen entscheiden, weil diese dazu nicht mehr in der Lage sind.

Das Beantworten folgender Fragen kann die Entscheidung erleichtern, ob digitale Technik zum Einsatz kommen soll:

  • Ist die digitale Unterstützung notwendig und entsteht daraus ein Nutzen, der anders nicht erreichbar ist?
  • Unterstützt das Produkt die Person dabei, die Selbstbestimmung und Selbstständigkeit zu erhalten, oder schränkt sie Freiheiten und andere Menschenrechte ein?
  • Rechtfertigt die Entlastung der pflegenden Angehörigen eine mögliche Einschränkung der Rechte der pflegebedürftigen Person?

Das Institut für Menschenrechte bietet eine Übersicht, welche Chancen und Risiken die Digitalisierung in Bezug auf die Rechte älterer Menschen birgt.

Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft bietet weitere Fragen und Überlegungen, die beim Entscheidungsprozess helfen können.

Wie finde ich geeignete digitale Produkte für die Pflege?

Nicht jedes digitale Produkt auf dem Markt ist empfehlenswert. Neben ethischen und rechtlichen Überlegungen sollte ein Produkt unter anderem auf folgende Punkte überprüft werden:

Die Anwendung kann von älteren und pflegebedürftigen Menschen einfach und intuitiv genutzt werden.

Inhalte von Apps und Webanwendungen sind auf die Gegebenheiten in Deutschland ausgerichtet, beispielsweise Anträge, Rechtsfragen, Unterstützungsangebote.

Insbesondere die Gesundheitsdaten sind umfassend geschützt. Die Software wird regelmäßig, mindestens jährlich, aktualisiert.

Die Patienteninformation “Checkliste für die Nutzung von
Gesundheits-Apps" vom Aktionsbündnis Patientensicherheit e.V. bietet Kriterien und Empfehlungen, um die Qualität von Apps beurteilen zu können.

Zudem können sich Versicherte auf einen bestimmten Standard von digitalen Produkten verlassen, wenn diese im Hilfsmittelkatalog des Krankenkassenverbands GKV-Spitzenverband sowie im DiPA- oder DiGA-Verzeichnis des Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gelistet sind. Nur die dort aufgeführten digitalen Produkte können von der Kranken- oder Pflegekasse erstattet werden, wenn gleichzeitig alle sonstigen Voraussetzungen von der Antragstellerin oder dem Antragsteller erfüllt werden.

Interessant zu wissen: Viele Kranken- und Pflegekassen bieten bereits eigene digitale Angebote, wie beispielsweise Apps für ihre Versicherten.

Geprüft durch die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz e.V. (VZ RLP)

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