Gesund leben Online-Sucht
ICD-Codes: F63.8 Was sind ICD-Codes?
Bei Online-Sucht denken die meisten Menschen an Computerspiele. Aber auch andere Angebote im Internet können abhängig machen, zum Beispiel Online-Shopping oder Social Media. Internetgebrauch wird problematisch, wenn Menschen dadurch in ihrem Alltag eingeschränkt sind und darunter leiden.
Auf einen Blick
- Online-Sucht ist eine psychische Störung.
- Anfällig dafür sind vor allem Jugendliche.
- Häufig sind gleichzeitig andere psychische Störungen wie eine Angststörung oder eine Depression vorhanden.
- Es gibt Kriterien, die bei der Diagnose helfen.
- Die Behandlung richtet sich nach der Schwere der Erkrankung.
Hinweis: Die Informationen dieses Artikels können und sollen einen Arztbesuch nicht ersetzen und dürfen nicht zur Selbstdiagnostik oder -behandlung verwendet werden.

Was versteht man unter Online-Sucht?
Ob E-Mail, YouTube, TikTok, Wikipedia oder Wetter-Apps – das Internet gehört zum Alltag wie Essen und Schlafen. Es wird genutzt, um die Lieblingsmusik zu hören, Reisen zu buchen oder einzukaufen. Die Menschen schauen Serien, hoffen bei Tinder auf die große Liebe, tauschen sich mit anderen Nutzerinnen und Nutzern aus oder kämpfen mit ihnen gegen virtuelle Monster. Mit seinen unendlich vielen Möglichkeiten durchdringt das Internet das ganze Leben. Die Gefahr dabei ist, dass es auch abhängig machen kann. Wann aber ist die Nutzung des Internets krankhaft oder, wie Ärzte sagen, pathologisch?
Diese Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten, denn für die medizinische Forschung ist das Thema noch ein relativ neues Feld. Das sieht man schon an den verschiedenen Begriffen, die benutzt werden: Handysucht, pathologischer Internetgebrauch, Online-Sucht oder internetbasiertes Suchtverhalten. In der medizinischen Fachsprache setzt sich mehr und mehr die Bezeichnung „Internetnutzungs-Störung“ durch. Aber was versteht man darunter genau?
Eine Internetnutzungs-Störung ist eine psychische Störung. Sie bezeichnet eine schädliche oder missbräuchliche Nutzung des Internets. Darunter fällt auch die Online-Spielsucht mit ihren Risiken und negativen Folgen. Die Online-Spielsucht ist bisher am besten erforscht und wurde im internationalen diagnostischen System der International Classification of Diseases (ICD) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als eigenes Krankheitsbild aufgenommen.
Ein großer Teil der Forscher geht davon aus, dass die Mechanismen bei der Online-Spielsucht und anderen internetbezogenen Störungen ähnlich sind. Deshalb werden Erkenntnisse zur Online-Spielsucht auch auf weitere Internet-Anwendungen übertragen. Gemeinsames Merkmal ist ein Kontrollverlust. Im Vordergrund stehen Computerspiele, soziale Netzwerke, Online-Shopping und auch der Konsum von Pornographie.
Wann wird die Nutzung des Internets problematisch?
Jeder kennt Cartoons oder Fotos von Menschen, die alle gleichzeitig auf ihre Smartphones starren. Man bekommt einen Spiegel vorgehalten, findet es lustig, fühlt sich aber auch bestätigt: Wenn alle das machen, kann es so schlimm nicht sein. Oder? Tatsächlich sind die Übergänge von einer häufigen Internetnutzung zu einer Abhängigkeit fließend.
Erste Hinweise für eine problematische Entwicklung sind negative Auswirkungen auf verschiedene Lebensbereiche: Die Personen vernachlässigen zugunsten der Internetaktivitäten Schule und Beruf, ihre Hobbys, eine gesunde Ernährung oder ihr soziales Leben in der realen Welt. Sie haben ein starkes Verlangen nach Online-Aktivitäten, über das sie zunehmend die Kontrolle verlieren. Ein Verzicht auf das Internet ist für sie unvorstellbar. Ein weiteres typisches Merkmal: Online-Aktivitäten werden fortgesetzt, obwohl bereits negative Konsequenzen zu spüren sind.
Ob es sich bei einer Internetnutzungs-Störung tatsächlich um eine Sucht handelt, ist unter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zum Teil noch umstritten. Kritiker meinen, dass das Internet nicht vergleichbar sei mit einer Droge wie zum Beispiel Alkohol. Vielmehr handele es sich um ein Medium, das einen Zugang zu virtuellen Inhalten schafft oder soziale Kontakte herstellt.
Der Zweck spielt daher für die Kritiker eine wichtige Rolle: Ob das Internet beruflich, zum Spielen oder als Plattform für soziale Kontakte genutzt wird, macht demnach einen Unterschied. Nicht die Technologie mache abhängig, sondern das Verhalten des Nutzers oder der Nutzerin, so ihr Argument.
Die Mehrheit der Expertinnen und Experten geht von einer Verhaltenssucht aus, die einer Abhängigkeit von Drogen ähnlich ist. Nicht zuletzt deswegen wurde die Gaming Disorder (Computerspielstörung) auch von der WHO als Suchterkrankung anerkannt und eingeordnet. Dadurch können zur Behandlung auch Therapieformen genutzt werden, die sich bei psychischen Störungen bewährt haben.
Wie häufig ist eine Internetnutzungs-Störung?
Immer mehr Menschen leiden unter internetbezogenen Störungen. Laut einer Übersichtsstudie aus dem Jahr 2020 haben weltweit ungefähr 7 von 100 Menschen eine Internetnutzungs-Störung.
Vor allem junge Menschen sind gefährdet. Insbesondere während der Pandemie haben Kinder und Jugendliche in Deutschland deutlich mehr Zeit im Internet und mit Computerspielen verbracht. Die tägliche Nutzungszeit nimmt seitdem zwar wieder etwas ab, allerdings ist sie bei den sozialen Medien immer noch höher als vor der Pandemie.
Riskantes Computerspielverhalten
2024 hatten in Deutschland ungefähr 9 von 100 Kindern und Jugendlichen ein riskantes Computerspielverhalten. Das entspricht mehr als 700.000 Kindern und Jugendlichen im Alter von 10 bis 17 Jahren. Von einer Computerspielstörung sind Jungen häufiger betroffen als Mädchen.
Soziale Medien
Fast alle Kinder und Jugendlichen zwischen 10 und 17 Jahren in Deutschland nutzten 2024 regelmäßig Soziale Medien (englisch Social Media), die meisten täglich. 21 von 100 Kindern und Jugendlichen nutzten Soziale Medien in einem riskanten Ausmaß. Das entspricht über 1,3 Millionen Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Diese sind gefährdet, durch ihre Social-Media-Nutzung ernsthafte Probleme zu bekommen oder haben solche bereits.
Wie lässt sich eine Internetnutzungs-Störung feststellen?
Die Zeit, die im Internet verbracht wird, sagt allein nichts darüber aus, ob ein Problem vorliegt. Es kommt hingegen vor allem darauf an, ob die betroffene Person unter ihrem Internetgebrauch leidet und im Alltag dadurch beeinträchtigt ist.
Bei einem Verdacht wird daher zum Beispiel gefragt, ob die Person Probleme hat, ihre Internetnutzung zu kontrollieren und ob wegen ihrer Internetnutzung andere Aktivitäten zu kurz kommen. Auch wenn man den Internet-Gebrauch fortsetzt, obwohl schon negative Folgen davon spürbar sind, spricht das für eine Störung. Solche negativen Folgen sind zum Beispiel, wenn man deswegen in der Schule oder im Beruf schlechtere Leistungen erzielt.
Weitere Anzeichen für eine Internetnutzungs-Störung sind:
- wenn man sich schlecht fühlt, sobald man das Internet nicht wie gewohnt nutzen kann
- wenn man immer mehr Zeit im Internet verbringt
- wenn man seine Familie und Freunde darüber täuscht, wie viel Zeit man im Internet verbringt
- wenn man das Internet nutzt, um mit negativen Gefühlen klar zu kommen
Wichtig zu wissen: Auffallend ist, dass eine internetbezogene Störung häufig mit anderen psychischen Erkrankungen einhergeht. Beispielsweise haben Menschen mit ADHS ein höheres Risiko für eine Internetnutzungs-Störung. Hingegen können psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Angst-Erkrankungen im Verlauf einer Internetnutzungs-Störung entstehen.
Ob Sie oder Ihr Kind abhängig vom Internet sind, können Sie mit einem etwa 20-minütigen Online-Test der Arbeitsgruppe DIA-NET prüfen. Der Test erfasst Ihre Internetnutzung und wertet diese anhand von diagnostischen Kriterien aus.
Wie wird eine Online-Sucht behandelt?
Die Behandlung einer Online-Sucht richtet sich danach, wie stark sie ausgeprägt ist: also wie viele der Diagnosekriterien zutreffen und ob Begleiterkrankungen vorliegen, zum Beispiel eine Depression.
Eine Behandlung zielt darauf ab:
- die Zeit im Internet zu reduzieren
- den Fokus auf mögliche andere Beschäftigungen zu richten
- die Persönlichkeit und das Selbstwertgefühl zu stärken
- Angst vor sozialen Kontakten abzubauen
Folgende Behandlungsmöglichkeiten gibt es:
- Selbsthilfe
- Frühintervention
- ambulante Therapie
- stationäre Therapie
Eltern haben eine wichtige Vorbildfunktion bei der Nutzung von Sozialen Medien. Außerdem spielen die Eltern häufig eine wichtige Rolle, indem sie Regeln für die Internetnutzung ihrer Kinder aufstellen. Bei Kindern und Jugendlichen sollten daher die Eltern oder andere Angehörige in die Behandlung einbezogen werden.
Selbsthilfe
Angebote im Internet stellen eine leicht zugängliche Hilfe dar. Es gibt beispielsweise Seiten, auf denen man sich zunächst informieren kann. Selbst-Tests helfen, die eigene Internetnutzung besser einzuschätzen.
Zudem gibt es online und offline Beratungsangebote, Online-Trainings, Online-Selbsthilfegruppen und Foren. Diese Angebote richten sich auch an an Eltern und andere Angehörige.
Frühintervention
Eine Frühintervention richtet sich an Menschen, die ein erhöhtes Risiko für eine Internetnutzungs-Störung haben oder bereits erste Symptome aufweisen. Bisher gibt es vor allem Angebote für Jugendliche und junge Erwachsene, etwa in Schulen, Universitäten oder bei speziellen Beratungsstellen.
Frühinterventionen finden zum Beispiel in Form spezieller Gruppenprogramme für Jugendliche statt, die gefährdet sind eine Internetnutzungs-Störung zu entwickeln. Während solcher Programme lernen Jugendliche etwas über die Erkrankung und beschäftigen sich mit Themen wie Langeweile, Einsamkeit und Ängsten.
Mitunter wird auch die motivierende Gesprächsführung im Rahmen der Frühintervention angewendet. Diese Methode ist darauf ausgerichtet, die Person zu unterstützen. Die Behandlerinnen und Behandler sind dabei Partner, die keinerlei Druck ausüben oder Vorschriften machen. Vielmehr versuchen sie ihr Gegenüber zu motivieren, sich mit dem eigenen Verhalten auseinanderzusetzen und dieses zu verändern.
Ambulante Therapie
Eine ambulante Psychotherapie wird empfohlen, wenn die Abhängigkeit ausgeprägt ist, bestimmte Begleiterkrankungen vorliegen oder bisherige Maßnahmen nicht dauerhaft erfolgreich waren. In der Regel ist dann eine sogenannte kognitive Verhaltenstherapie empfohlen. Dabei werden den betroffenen Personen die Mechanismen ihres Suchtverhaltens verständlich gemacht und dadurch bestenfalls eine Änderung des Verhaltens erreicht. Darüber hinaus werden Strategien zur Problembewältigung vermittelt sowie soziale und persönliche Kompetenzen gestärkt.
Stationäre Therapie
Bei einer schweren Abhängigkeit kann es sinnvoll sein, die Behandlung in einer Klinik durchzuführen. Der wichtigste Vorteil hierbei ist die räumliche Entfernung zur alltäglichen Umgebung, die häufig mit der problematischen Internetnutzung verwoben ist. Die Therapie kann helfen, Tagesstrukturen neu zu erlernen, alternative Handlungsweisen zu entwickeln und Strategien zu finden, mit denen sich die Internetnutzung kontrollieren lässt.
Kontakte, Anlaufstellen und Informationen zu allen Formen der Therapie finden Sie auf der Website der Arbeitsgruppe DIA-NET.
Wie kann man einer Online-Sucht vorbeugen?
Jeder Mensch kann einfache Dinge für einen gesunden Umgang mit dem Internet in seinen Alltag einbauen.
Um einer Online-Sucht vorzubeugen, helfen folgende Maßnahmen:
- Eine Woche lang Zeiten im Internet protokollieren, um einen objektiven Überblick über das eigene Verhalten zu bekommen.
- Immer mal Offline-Zeiten einlegen, auch „digitales Fasten“ oder „Digital Detox“ genannt.
- Sogenannte Trigger vermeiden: Also optische und akustische Signale beim Eingang von Nachrichten ausschalten oder das Smartphone ganz stummschalten. Solche Trigger wirken auf das Belohnungszentrum und können deshalb suchterzeugend wirken.
- Beim Essen und im Bett auf das Smartphone verzichten.
- Unterwegs das Smartphone so aufbewahren, dass es nicht schnell greifbar ist, zum Beispiel im Rucksack.
- Sich an Beschäftigungen oder Hobbys erinnern, die früher Spaß gemacht haben und diese wieder aufnehmen.
Vorbeugung an Bildungseinrichtungen
Auch Angebote in Schulen und an Universitäten eignen sich zur Vorbeugung von Internetnutzungs-Störungen. Solche Angebote richten sich vor allem an junge Menschen, die tendenziell schon eine problematische Internetnutzung haben. Die Präventionsangebote sollen unter anderem über die Risiken und Folgen einer Internetnutzungs-Störung aufklären.
Auch eine Stärkung der Medienkompetenz in der Schule kann helfen, einer übermäßigen Internetnutzung vorzubeugen.
Wo finde ich weitere Informationen und Unterstützung?
Beim Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit (BIÖG) gibt es umfangreiche Informationen zum Thema Medien- und Internetnutzung.
Hier können Eltern und Jugendliche zum Beispiel auch Broschüren kostenlos bestellen.
Das Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit betreibt zudem verschiedene Websites, die sich an bestimmte Zielgruppen richten:
Die Website www.ins-netz-gehen.de bietet neben Informationen rund um Mediennutzung auch eine Online-Beratung für Jugendliche.
Auswahl weiterer Angebote
Die Arbeitsgruppe DIA-NET der Universität zu Lübeck bietet Informationen, Checklisten, Hilfsangebote und Materialien zum Thema Internetnutzungs-Störung auf Basis des aktuellen Forschungsstands.
Die Sektion für Suchtmedizin und Suchtforschung des Universitätsklinikums Tübingen hat das Portal Erste Hilfe Internetsucht aufgebaut – eine Datenbank zur Suche von Hilfsangeboten. Das Universitätsklinikum Tübingen bietet außerdem ein kostenloses Online-Training für Eltern an, deren Kinder Symptome einer Internetnutzungs-Störung haben.
Bei der Suche nach einem Therapieplatz in einer Klinik unterstützt der Bundesverband für stationäre Suchthilfe.
- Bischof G. Besser B. Bischof A et al. Behandlungsmanual Internetbezogene Störungen. Universität zu Lübeck 2017.
- Deutsche Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie e.V. (DG-Sucht). S1-Leitlinie Diagnostik und Therapie von Internetnutzungsstörungen. Stand 20.11.2024.
- Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung. Jahresbericht 2021. August 2021.
- Petersen K, Hanke, S, Bieber L, Mühleck A et al. Angebote bei internetbasiertem Suchtverhalten in Deutschland (AbiS). Pabst Science Publishers: Lengerich 2017.
- Rumpf HJ. Bischof A. Handreichung Expertenworkshop Internetbezogene Störungen (EXIST) 2018. Universität zu Lübeck. Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie.
- Wiedemann, H., Thomasius, R., Paschke, K. Problematische Mediennutzung bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland: Ergebnisbericht 2024/2025. Ausgewählte Ergebnisse der siebten Erhebungswelle im September/Oktober 2024. 2025.
Geprüft durch die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e.V.
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