Bessere Heilungschancen durch personalisierte Medizin
Die personalisierte Medizin stellt einen bedeutenden Wandel in der Gesundheitsversorgung dar: Indem sogenannte Biomarker wie die erbliche Veranlagung bei einer Arzneimitteltherapie berücksichtigt werden, lässt sich die Wirksamkeit der Behandlung erhöhen. Auch Nebenwirkungen können hierdurch verringert werden.
Auf einen Blick
- Im Rahmen der personalisierten Medizin werden bei der Auswahl eines Arzneimittels individuell vorhandene Biomarker berücksichtigt, zum Beispiel die erbliche Veranlagung.
- Ziel der personalisierten Medizin ist es, eine möglichst passgenaue Behandlung zu finden.
- Das Risiko für Nebenwirkungen von Arzneimitteln kann durch eine personalisierte Behandlung verringert werden.
- Aktuell wird die personalisierte Medizin bereits bei der Therapie mancher Krebserkrankungen und Infektionskrankheiten eingesetzt.
Was ist personalisierte Medizin?
Die „personalisierte Medizin“ oder „individualisierte Medizin“ zielt darauf ab, medizinische Behandlungen auf die jeweiligen persönlichen Merkmale der Patientinnen und Patienten abzustimmen. Anstatt davon auszugehen, dass ein Arzneimittel bei jeder oder jedem gleich gut wirkt, werden individuelle Faktoren bei der Therapieauswahl miteinbezogen. Solche Faktoren sind dabei in erster Linie biologische Merkmale wie Gene und weitere sogenannte Biomarker, die im Blut oder im Gewebe festgestellt werden. Insbesondere bei bestimmten Krebsarten und Infektionskrankheiten werden heutzutage bereits viele personalisierte Therapien eingesetzt.
Oft wirkt ein Arzneimittel nicht bei allen Patientinnen und Patienten gleich gut. In manchen Fällen wirkt das Arzneimittel sogar gar nicht oder es kommt zu Nebenwirkungen. Mithilfe personalisierter Ansätze kann vor Behandlungsbeginn das individuell wirksamste Arzneimittel ausgewählt werden. Darüber hinaus lässt sich auf diese Weise das Risiko für Nebenwirkungen verringern.
Wichtig zu wissen: Personalisierte Medizin ist nicht zu verwechseln mit maßgeschneiderten Therapien für einzelne Personen, zum Beispiel durch individuell hergestellte und angepasste Medikamente. Tatsächlich handelt es sich um Behandlungen für sehr viele Patientinnen und Patienten. Der Begriff „personalisiert“ bezieht sich auf die Auswahl der Therapie: Ob eine bestimmte Behandlung für die jeweilige Person geeignet ist, wird nach gründlicher Untersuchung bestimmter biologischer Merkmale (Biomarker) festgestellt.
Welche Vorteile bietet die personalisierte Medizin?
Ein entscheidender Vorteil der personalisierten Medizin ist die Möglichkeit, Behandlungen effektiver zu gestalten. Wenn beispielsweise biologische Eigenschaften einer Person bei der Auswahl einer Therapie berücksichtigt werden, kann die Wirksamkeit einer Behandlung deutlich steigen. Neben besseren Behandlungsergebnissen lassen sich so auch Nebenwirkungen verringern, da ungeeignete Therapien von vornherein ausgeschlossen werden. Indem unnötige Therapien vermieden werden, könnten auch die Kosten im Gesundheitssystem sinken.
Was passiert vor Beginn einer personalisierten Therapie?
Im Rahmen der personalisierten Medizin erfolgen vor Therapiebeginn zunächst verschiedene Untersuchungen. Bei diesen wird mithilfe von Blut- oder Gewebeproben festgestellt, ob bestimmte sogenannte Biomarker vorhanden sind. Solche Biomarker sind etwa Proteine auf der Oberfläche von Zellen oder Erbinformationen (Gene). Anhand der Untersuchungsergebnisse lässt sich anschließend beurteilen, ob ein bestimmtes Arzneimittel für die Behandlung der jeweiligen Person geeignet ist.
Wie funktioniert ein personalisiertes Arzneimittel?
Personalisierte Medikamente wirken im Prinzip nicht anders als andere Medikamente. Das Besondere ist jedoch, dass sie nur bei einer Gruppe von Personen wirken, weil diese etwa bestimmte biologische Merkmale haben.
Ein Beispiel aus der Behandlung von Krebserkrankungen: Es gibt Personen, bei denen auf den Krebszellen bestimmte Merkmale (Biomarker) vorhanden sind. Bei anderen Personen mit der gleichen Krebserkrankung fehlen diese hingegen. Je nachdem, welche Merkmale die Krebszellen besitzen, kommen bestimmte Arzneimittel infrage. Zu solchen Arzneimitteln gehören sogenannte monoklonale Antikörper. Diese docken direkt an die Biomarker und damit an die Krebszellen an und bremsen so das Krebswachstum. Im Bereich der Krebsmedizin nennt man dieses Vorgehen auch zielgerichtete Therapie.
Was sind zielgerichtete Krebstherapien?
Im folgenden Video erfahren Sie, wann zielgerichtete Krebstherapien eingesetzt werden. Wie werden die Medikamente eingesetzt und wie wirken sie?
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Neben den monoklonalen Antikörpern gibt es außerdem die sogenannten „small molecules“. Dabei handelt es sich um Stoffe, die so klein sind, dass sie in die Krebszellen eindringen können. Dort angekommen können sie dann Signalketten unterbrechen. Durch die personalisierte Auswahl des Stoffs wird dabei genau die Signalkette unterbrochen, die das Wachstum der jeweiligen Krebszellen begünstigt.
Für welche Erkrankungen gibt es bereits personalisierte Therapien?
Personalisierte Therapien stehen bei Weitem nicht für jede Erkrankung zur Verfügung. Insbesondere im Bereich der Krebsmedizin und der Infektionskrankheiten werden allerdings bereits einige personalisierte Therapien eingesetzt.
Beispiele dafür sind:
- Brustkrebs
- Chronische myeloische Leukämie (CML)
- Lungenkrebs
- Schwarzer Hautkrebs
- Darmkrebs
- HIV
- Hepatitis C
Beispiel Brustkrebs: Das Wachstum von Krebszellen gezielt unterbrechen
Bei Brustkrebs wachsen Zellen in der Brustdrüse unkontrolliert. Die Zellen können dabei in umliegende Gewebe einwachsen und diese zerstören. Dabei gibt es nicht nur eine Form von Brustkrebs, sondern verschiedene Erkrankungsarten. Bei manchen Betroffenen ist beispielsweise die Zahl der sogenannten HER2-Proteine auf der Oberfläche der Krebszellen stark erhöht. Dadurch wächst der Tumor oft vergleichsweise schnell. Die HER2-Proteine dienen jedoch auch als Biomarker: Liegt ein Brustkrebs-Typ mit erhöhter Zahl dieser Proteine vor, werden gezielt gegen HER2 gerichtete Therapien eingesetzt. Die entsprechenden Arzneimittel binden an die HER2-Proteine und blockieren so weitere Wachstumssignale für den Tumor.
Beispiel HIV: Nebenwirkungen durch Untersuchungen der Erbinformation vermeiden
Das HI-Virus (Humanes Immundefizienz-Virus, HIV) zerstört gezielt Zellen des Abwehrsystems. Unbehandelt führt eine Ansteckung mit HIV daher zu einer Immunschwäche mit Folgeerkrankungen (AIDS). Medikamente gegen HIV können die Patientinnen und Patienten vor einer solchen Immunschwäche schützen. Eines dieser Medikamente heißt Abacavir. Bei vielen Patienten wirkt das Medikament gut, allerdings kommt es bei etwa 5 von 100 Menschen zu teils lebensgefährlichen Nebenwirkungen. Inzwischen weiß man, dass diese schweren Nebenwirkungen nur bei Personen auftreten, die ein bestimmtes Gen besitzen. Dieses Gen lässt sich mit einer DNA-Analyse einer Blutprobe untersuchen. Bei Menschen ohne das Gen kann eine Behandlung mit dem HIV-Medikament Abacavir erfolgen. Für Personen mit diesem Gen stehen andere HIV-Medikamente zur Verfügung.
Interessant zu wissen: Neben den Genen und weiteren Biomarkern kann auch das Geschlecht die Wirkung von Medikamenten beeinflussen. Solche Unterschiede zwischen Männern und Frauen werden in der geschlechtsspezifischen Medizin untersucht.
Warum gibt es nicht noch mehr personalisierte Therapien?
Die personalisierte Medizin hat bisher vor allem in der Krebsmedizin große Fortschritte gemacht, während für viele andere Erkrankungen noch keine personalisierten Ansätze zur Verfügung stehen. Dies liegt unter anderem daran, dass für Krebserkrankungen mitunter bereits bedeutsame Biomarker bekannt sind. Das begünstigt personalisierte Therapieansätze.
Auch in der Krebsmedizin gibt es allerdings weiterhin Herausforderungen: Krebszellen haben oft nicht nur eine, sondern viele verschiedene Veränderungen in ihrem Erbmaterial. Diese Veränderungen sind jedoch noch nicht alle bekannt oder näher untersucht. So lassen sich in vielen Fällen zwar schon einzelne krebsfördernde Mechanismen mithilfe von Arzneimitteln blockieren. Wegen der Vielzahl an Veränderungen in den Krebszellen reicht das allerdings häufig nicht aus, um das Krebswachstum komplett zu stoppen.
Erschwerend für personalisierte Ansätze ist auch, dass die Entwicklung neuer Therapien sehr aufwendig und teuer ist. Es werden umfangreiche klinische Studien benötigt, bevor ein Arzneimittel auf den Markt kommen kann. Zusätzlich haben verschiedene Länder eigene Vorschriften zur Genehmigung neuer Therapien. Das bedeutet, dass ein Medikament beispielsweise in den USA zugelassen sein kann, in der EU jedoch nicht.
Trotz der bestehenden Herausforderungen ist der Bereich der personalisierten Medizin sehr vielversprechend. Dank stetiger Fortschritte könnten personalisierte Behandlungen bald für eine noch breitere Palette von Krankheiten möglich werden.
- Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste. Personalisierte Medizin. Aufgerufen am 25.09.2024.
- Gesundheitsinformation.de. Personalisierte Medizin. Aufgerufen am 25.09.2024.
- Hohenberger, P. Therapie mit „small molecules“. Onkologe 10, 38–45 (2004). Aufgerufen am 25.09.2024.
- IQWIG. 2. Arzneimittel-Zulassung und -Nutzenbewertung in anderen Ländern. Aufgerufen am 25.09.2024.
- Krebsgesellschaft.de. Personalisierte Krebsmedizin: Für jede*n Patienten*in die richtige Medizin. Aufgerufen am 25.09.2024.
- Krebsgesellschaft.de. Trastuzumab. Aufgerufen am 25.09.2024.
- Leopoldina. Individualisierte Medizin. Aufgerufen am 25.09.2024.
In Zusammenarbeit mit dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM).
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