Freiheitsbeschränkende Maßnahmen in der Pflege vermeiden
Freiheitsbeschränkende Maßnahmen hindern Menschen daran, sich frei zu bewegen. Bei pflegebedürftigen Menschen werden solche Maßnahmen manchmal zum vermeintlichen Schutz angewendet. Freiheitsbeschränkende Maßnahmen greifen jedoch massiv in die Grundrechte ein und bergen Risiken. Sie sollten daher wann immer möglich vermieden werden.
Auf einen Blick
- Es gibt verschiedene Formen von freiheitsbeschränkenden Maßnahmen. Zu solchen Maßnahmen zählen Bettgitter oder Tischvorrichtungen, die eine Person am Aufstehen hindern.
- Es ist nicht belegt, dass sich durch freiheitsentziehende Maßnahmen Stürze oder andere Gefahren abwenden lassen.
- Im Gegenteil können freiheitsbeschränkende Maßnahmen zu Verletzungen führen und die psychische Gesundheit der Betroffenen beeinträchtigen.
- In Pflegeheimen und sonstigen Einrichtungen müssen freiheitsbeschränkende Maßnahmen in der Regel durch ein Gericht genehmigt werden.
- Auch nach einer Genehmigung darf das Pflegepersonal die Maßnahmen nur vorübergehend sowie in angemessener Weise anwenden und muss dies dokumentieren.
- Verschiedene Alternativen helfen, freiheitsentziehende Maßnahmen zu vermeiden.

Was sind freiheitsbeschränkende Maßnahmen?
Jeder Mensch in Deutschland hat das Grundrecht sich frei zu bewegen. Was den meisten Menschen ganz natürlich erscheint, ist für pflegebedürftige Menschen mitunter nicht selbstverständlich. Denn pflegebedürftige Menschen, insbesondere Menschen mit Demenz, sind immer wieder von freiheitsbeschränkenden Maßnahmen betroffen.
Als freiheitsbeschränkend werden Maßnahmen bezeichnet, die eine Person gegen ihren Willen daran hindern, sich frei zu bewegen.
Interessant zu wissen: Man kann zwischen freiheitsbeschränkenden und freiheitsentziehenden Maßnahmen unterscheiden. Freiheitsbeschränkende Maßnahmen greifen weniger stark in die Bewegungsfreiheit ein, beispielsweise wenn ein Rollstuhlfahrer für eine Spazierfahrt vorübergehend angeschnallt wird. Freiheitsentziehende Maßnahmen sind weitreichender und hindern Menschen generell daran, sich frei zu bewegen.
Freiheitsentziehende Maßnahmen dürfen in einer Pflegeeinrichtung, in einem Krankenhaus oder durch einen Pflegedienst nur angewendet werden, wenn sie durch ein Gericht genehmigt wurden.
- Freiheitsbeschränkende Maßnahmen können sehr unterschiedlich aussehen und kommen in verschiedenen Situationen in der Pflege und auch außerhalb der Pflege vor. Beispiele für freiheitsbeschränkende Maßnahmen in der Pflege sind:
Bettgitter anbringen - jemanden gegen seinen Willen im Rollstuhl anschnallen
- jemanden durch einen speziellen Tisch, der vor einen Rollstuhl gesteckt werden kann, am Aufstehen hindern
- jemanden mit dem Stuhl oder dem Rollstuhl so eng an einen Tisch schieben, dass die Person nicht aus eigener Kraft aufstehen kann
- benötigte Hilfsmittel wegnehmen, zum Beispiel die Brille oder den Gehstock
- jemanden mit Gurten am Bett fixieren
- jemanden einschließen
- Personen mit Medikamenten ruhigstellen
Solche Maßnahmen können in Pflegeeinrichtungen, im Krankenhaus oder bei der Pflege von alten oder kranken Angehörigen zu Hause vorkommen. Pflegende Personen wenden freiheitsbeschränkende Maßnahmen häufig in der Annahme an, dadurch vor Gefahren wie Stürzen zu schützen. Es gibt jedoch keinen Beleg dafür, dass sich durch solche Maßnahmen Stürze vermeiden lassen.
Sicher ist jedoch, dass freiheitsbeschränkende Maßnahmen mit Risiken für die psychische und körperliche Gesundheit pflegebedürftiger Menschen einhergehen und in deren Rechte eingreifen. Geschehen freiheitsbeschränkende Maßnahmen gegen den Willen der Betroffenen, sind sie eine Form von Gewalt. Solche Maßnahmen sollten deshalb vermieden werden. Es gibt außerdem strenge rechtliche Regelungen für die Anwendung von freiheitsbeschränkenden Maßnahmen in Pflegeeinrichtungen und durch Pflegedienste.
Wie wird überprüft, ob freiheitsbeschränkende Maßnahmen in der Pflege angewendet werden?
Die Qualität von Pflegeheimen wird regelmäßig sowohl intern als auch durch den Medizinischen Dienst überprüft. Dabei wird auch der Einsatz von freiheitsbeschränkenden Maßnahmen erfasst. Die Ergebnisse dieser Prüfungen sind online einsehbar.
2020 wurden bei ungefähr 6 von 100 Bewohnerinnen und Bewohnern von Pflegeheimen, die in die Untersuchung des Medizinischen Dienstes einbezogen wurden, freiheitsbeschränkende Maßnahmen angewendet. In den allermeisten Fällen waren diese Maßnahmen gerichtlich genehmigt. In früheren Studien wurde zum Teil auch über deutlich häufigere Anwendung von freiheitsbeschränkenden Maßnahmen berichtet.
Bei der Pflege zu Hause wird der Einsatz von freiheitsbeschränkenden Maßnahmen nicht regelhaft überprüft. Schätzungsweise werden im Rahmen der häuslichen Pflege bei 6 bis 9 von 100 pflegebedürftigen Menschen freiheitsbeschränkende Maßnahmen angewendet.
Warum werden freiheitsbeschränkende Maßnahmen angewendet?
Pflegende Personen wenden freiheitsbeschränkende Maßnahmen häufig in dem Glauben an, pflegebedürftige Menschen so vor Stürzen oder Unfällen zu schützen.
Besonders häufig sind Menschen mit Demenz von freiheitsbeschränkenden Maßnahmen betroffen, da es verschiedene besondere Herausforderungen in der Pflege gibt: Menschen mit Demenz können Gefahren manchmal nicht richtig einschätzen und oftmals ist ihre Orientierung eingeschränkt. Mitunter kann sich die pflegende Person nicht darauf verlassen, dass sich ein Mensch mit Demenz an Absprachen erinnert.
Freiheitsbeschränkende Maßnahmen werden außerdem angewendet, wenn pflegebedürftige Personen aggressiv oder unruhig sind und wenn die medizinische Behandlung durch die Patientinnen und Patienten gestört oder unterbrochen wird. Zum Beispiel, wenn jemand immer wieder einen Schlauch entfernt, über den Medikamente gegeben werden.
Bei der Pflege von Angehörigen zu Hause können Überforderung sowie körperliche und psychische Belastungen durch die Pflege zu Gewalt und der Anwendung von freiheitsbeschränkenden Maßnahmen führen. Möglicherweise ist einem auch nicht immer bewusst, dass man durch bestimmte Maßnahmen das Grundrecht eines Menschen auf Bewegungsfreiheit einschränkt.
Ein Beispiel: Eine Frau kümmert sich jeden Tag um ihren pflegebedürftigen Mann. Für eine kurze Besorgung muss sie ihren Mann aufwändig umziehen und mit dem Treppenlift nach unten fahren. Im Zeitstress entschließt sie sich, ihn zu Hause einzuschließen, um schnell ihre Besorgung zu erledigen. In diesem Moment denkt sie nicht daran, wie es sich für ihren Mann anfühlt, in der Wohnung eingeschlossen zu sein.
Was sind die Nachteile von freiheitsbeschränkenden Maßnahmen?
Es gibt keinen Nachweis dafür, dass freiheitsbeschränkende Maßnahmen tatsächlich das Sturzrisiko oder die Gefahr für Verletzungen senken können.
Solche Maßnahmen können hingegen negative Auswirkungen auf die psychische Gesundheit der Betroffenen haben. Es ist möglich, dass freiheitsbeschränkende Maßnahmen traumatisierend sind oder an frühere Gewalterfahrungen erinnern. Womöglich fühlen sich pflegebedürftige Menschen durch solche Maßnahmen erniedrigt, gestresst und ängstlich oder werden aggressiv.
Auch körperliche Verletzungen wie Hautabschürfungen und blaue Flecken sind möglich. Werden Gurte bei einer Fixierung nicht korrekt angewendet, besteht zudem das Risiko, sich mit diesen Gurten zu strangulieren. Auf Dauer können freiheitsbeschränkende Maßnahmen zur Folge haben, dass die Beweglichkeit und das Gleichgewicht abnehmen.
Werden Medikamente als freiheitsbeschränkende Maßnahme eingesetzt, können diese Nebenwirkungen haben. Einige solcher Nebenwirkungen können wiederum das Risiko für Stürze erhöhen.
Auch für Pflegende haben freiheitsbeschränkende Maßnahmen Nachteile. Die Anwendung solcher Maßnahmen gegen den Willen der Betroffenen kann bei den Pflegenden Schuldgefühle, Frust, Trauer und moralische Konflikte auslösen.
Welche rechtlichen Regelungen gelten für freiheitsbeschränkende Maßnahmen?
Grundsätzlich entscheidet jeder Mensch selbst, ob bei ihm freiheitsbeschränkende Maßnahmen angewendet werden dürfen.
Eine freiheitsbeschränkende Maßnahme ist in Ordnung, wenn eine einwilligungsfähige Person dieser zustimmt. Beispielsweise kann es sein, dass sich jemand Bettgitter zum eigenen Schutz wünscht, obwohl er dadurch das Bett nicht mehr selbstständig verlassen kann. Auch wenn eine Person eine Sicherheitsmaßnahme, etwa einen Gurt zum Anschnallen im Rollstuhl, selbst entfernen kann, wird sie nicht daran gehindert sich frei zu bewegen.
Die rechtliche Situation unterscheidet sich, je nachdem wie sehr eine Person durch eine freiheitsbeschränkende Maßnahme beeinträchtigt wird. Ist eine Person durch eine Maßnahme in ihrer Bewegungsfreiheit beschränkt, aber dennoch wenig beeinträchtigt, muss die Maßnahme in der Regel nicht richterlich genehmigt werden. Ein Beispiel hierfür ist, wenn eine Person für einen Ausflug kurzzeitig im Rollstuhl angeschnallt wird. Maßnahmen wie das Einschließen oder das Fixieren einer Person gehören hingegen zu den freiheitsentziehenden Maßnahmen, welche die gravierendste Form der Freiheitsbeschränkung darstellen. Solche Maßnahmen nehmen einer Person fast jegliche Bewegungsfreiheit. Sie müssen daher in aller Regel richterlich genehmigt werden, wenn sie in der professionellen Pflege angewendet werden.
Wie sind die rechtlichen Regelungen für freiheitsentziehende Maßnahmen in der professionellen Pflege?
Wenn jemand in einer Pflegeeinrichtung, im Krankenhaus oder durch einen Pflegedienst versorgt wird und nicht einwilligungsfähig ist, muss ein Gericht darüber entscheiden, ob eine freiheitsentziehende Maßnahme durchgeführt werden darf. Nicht einwilligungsfähig sind manche Menschen zum Beispiel aufgrund einer psychischen Erkrankung oder durch kognitive Einschränkungen, etwa bei einer Demenz.
In diesem Fall muss eine gesetzliche Vertreterin oder ein gesetzlicher Vertreter der betroffenen Person die freiheitsentziehende Maßnahme bei Gericht beantragen. Gesetzliche Vertreterinnen und Vertreter können einen solchen Antrag bei Gericht jedoch nur stellen, wenn dieser Bereich ausdrücklich zu ihren Aufgaben gehört. Der gesetzliche Vertreter kann eine bevollmächtigte Person oder ein gesetzlicher Betreuer sein.
Nach der Beantragung entscheidet eine Richterin oder ein Richter über die betreffende Maßnahme. Die richterliche Genehmigung muss in der Regel vor der Anwendung einer freiheitsentziehenden Maßnahme erfolgen.
Wichtig zu wissen: Wenn eine unmittelbare und erhebliche Eigengefährdung für eine Person besteht, die nicht anders abgewendet werden kann, darf eine freiheitsentziehende Maßnahme auch ohne die vorherige Zustimmung des Gerichts durchgeführt werden. Die Genehmigung durch eine Richterin oder einen Richter muss dann aber so schnell wie möglich eingeholt werden.
Es gibt eine Ausnahme: Die einmalige Anwendung einer freiheitsentziehenden Maßnahme für höchstens 30 Minuten muss nicht genehmigt werden. Voraussetzung ist jedoch auch hier, dass eine Notfallsituation mit erheblicher und akuter Eigengefährdung der Person besteht, die durch keine andere Maßnahme abgewendet werden kann. In einem solchen Fall muss außerdem das mildeste Mittel der Freiheitsentziehung gewählt werden.
Ist eine Person nicht einwilligungsfähig und hat keinen gesetzlichen Vertreter, können Angehörige, Ärztinnen und Ärzte oder Pflegepersonal nicht einfach eine freiheitsentziehende Maßnahme bei Gericht beantragen. Sie können dann lediglich eine gesetzliche Betreuung oder die Überprüfung einer freiheitsentziehenden Maßnahme beim Betreuungsgericht anregen.
Die Genehmigung von freiheitsentziehenden Maßnahmen muss durch eine Richterin oder einen Richter sorgfältig abgewogen werden. Dabei gelten strenge Voraussetzungen:
- Freiheitsentziehende Maßnahmen dürfen nur eingesetzt werden, wenn eine Gefahr besteht, die nicht anders abgewendet werden kann.
- Der mutmaßliche Wille der betroffenen Person muss einbezogen werden. Wenn möglich, sollten Angehörige zu Wort kommen können.
- Es müssen Alternativen zu den freiheitsentziehenden Maßnahmen geprüft werden (zum Beispiel das Herunterfahren des Bettes und eine Sturzmatte bei der Gefahr von Stürzen). Es ist immer das mildeste Mittel zu wählen.
- Die Richterin oder der Richter muss die Risiken einer freiheitsentziehenden Maßnahme sorgfältig gegen andere Gesundheitsgefahren abwägen.
- Das Gericht benötigt für seine Entscheidung ein ärztliches Attest. Dieses muss bestätigen, dass die freiheitsentziehende Maßnahme aus medizinischer Sicht notwendig und gerechtfertigt ist.
- In der Regel macht sich die Richterin oder der Richter auch einen persönlichen Eindruck von der betroffenen Person und kommt dafür beispielsweise ins Pflegeheim.
Eine wichtige Rolle im Gerichtsverfahren spielen die sogenannten Verfahrenspfleger. Sie vertreten vor Gericht die Interessen der betroffenen Person, insbesondere dann, wenn diese ihren Willen nicht selbst kundtun kann. Verfahrenspfleger prüfen unter anderem ob bereits alle Alternativen zu freiheitsentziehenden Maßnahmen ausgeschöpft wurden. Es ist sinnvoll, wenn Verfahrenspfleger eingesetzt werden, die sich sowohl in der Pflege als auch mit der Rechtslage auskennen.
Wenn eine Richterin oder ein Richter nach sorgfältiger Abwägung einer freiheitsentziehenden Maßnahme zustimmt, wird die Genehmigung für einen gewissen Zeitraum erteilt. Innerhalb dieses Zeitraumes entscheidet im konkreten Fall der gesetzliche Vertreter, ob eine Maßnahme angewendet wird. Es muss immer wieder geprüft werden, ob eine bestimmte Maßnahme noch notwendig ist. Auch dafür ist insbesondere der gesetzliche Vertreter verantwortlich.
Wichtig zu wissen: Auch bei Kindern müssen freiheitsentziehende Maßnahmen durch ein Gericht genehmigt werden, wenn die Kinder sich im Krankenhaus, in einem Heim oder in einer anderen Einrichtung aufhalten. Die Voraussetzung für solche Maßnahmen ist außerdem, dass die Erziehungsberechtigten zustimmen. Anders als bei Erwachsenen gibt es aber bei Kindern auch altersangemessene freiheitsbeschränkende Maßnahmen. Dazu gehört je nach Alter eines Kindes das Anschnallen im Buggy, Treppengitter oder Laufställe.
In einigen Bundesländern gibt es noch weitere Gesetze zu freiheitsentziehenden Maßnahmen. In Nordrhein-Westfalen müssen beispielswiese alle Pflegeinrichtungen ein Konzept zur Vermeidung solcher Maßnahmen vorlegen.
Auf der Seite der Beauftragten für Menschen mit Behinderung sowie für Patientinnen und Patienten in NRW finden Sie Antworten auf rechtliche Fragen rund um das Thema freiheitsbeschränkende Maßnahmen.
Welche rechtlichen Regelungen gibt es für freiheitsentziehende Maßnahmen im Krankenhaus?
Im Krankenhaus gelten die gleichen rechtlichen Regelungen wie in Pflegeeinrichtungen. Freiheitsentziehende Maßnahmen dürfen daher nur angewendet werden, wenn die Patientin oder der Patient sich selbst gefährdet und dies nicht anders abgewendet werden kann. Eine Eigengefährdung besteht im Krankenhaus auch, wenn jemand nach einer Operation vorübergehend verwirrt und nicht orientiert ist und sich zum Beispiel Venenzugänge immer wieder entfernt, welche für die Behandlung wichtig sind.
Freiheitsentziehende Maßnahmen bei nicht einwilligungsfähigen Patientinnen und Patienten müssen im Krankenhaus ebenso wie in Pflegeeinrichtungen in aller Regel richterlich genehmigt werden. Eine Ausnahme ist, wenn eine Maßnahme nur einmalig und kürzer als 30 Minuten erfolgt.
Gibt es rechtliche Regelungen für freiheitsentziehende Maßnahmen bei der Pflege durch Angehörige?
Wenn jemand durch Angehörige zu Hause gepflegt wird, dann müssen freiheitsentziehende Maßnahmen nicht durch ein Gericht genehmigt werden. Auch hier entscheidet eine gesetzliche Vertreterin oder ein gesetzlicher Vertreter über die Anwendung solcher Maßnahmen, wenn die betroffene Person selbst nicht einwilligungsfähig ist. Pflegende Angehörige sollten jedoch bedenken, dass freiheitsentziehende Maßnahmen stets ein schwerwiegender Eingriff in das Grundrecht eines Menschen sind. Rechtlich gelten sie als Freiheitsberaubung. Sie bergen zudem gesundheitliche Risiken für die betroffene Person. Pflegende Angehörige sollten freiheitsentziehende Maßnahmen daher nicht zuletzt aus fachlichen und ethischen Gründen vermeiden.
Wie lassen sich freiheitsbeschränkende Maßnahmen bei der Pflege vermeiden?
In einem ersten Schritt ist es wichtig, sich die möglichen negativen Folgen von freiheitsbeschränkenden Maßnahmen bewusst zu machen. Es gibt viele Alternativen, die nicht immer bekannt sind. Was im Einzelfall in Frage kommt, hängt unter anderem davon ab, aus welchem Grund bestimmte Maßnahmen nötig erscheinen.
Wie können pflegende Angehörige freiheitsbeschränkende Maßnahmen vermeiden?
Häufig ist die Sorge vor Stürzen oder anderen Gefahren ein Grund, warum pflegende Angehörige freiheitsbeschränkende Maßnahmen anwenden. Um solche Maßnahmen zu vermeiden, ist es daher zunächst wichtig, mögliche Gesundheitsgefahren zu erkennen und zu verringern.
Insbesondere bei der Pflege von Menschen mit Demenz kann es zu Situationen kommen, die für die pflegenden Angehörigen sehr herausfordernd sind. Viele Menschen mit Demenz können Risiken und Gefahren nicht mehr richtig einschätzen. Trotzdem sollte man sie nicht daran hindern, sich frei zu bewegen.
In den meisten Situationen gibt es andere Lösungen um mit Gesundheitsgefahren oder herausforderndem Verhalten umzugehen:
- Sturzgefahr: Um Stürzen vorzubeugen, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Dazu gehören Sturzmatten am Bett, Hüftschützer oder das Tragen rutschfester Schuhe. Eventuell sind auch Anpassungen des Wohnraums notwendig, um die Wohnumgebung so sicher wie möglich zu gestalten.
- Unruhe und Umherlaufen: Ein starker Bewegungsdrang kann zu den Symptomen einer Demenz gehören. Es gilt ihn so weit wie möglich zu akzeptieren und zuzulassen. Es kann hilfreich sein, beispielsweise ein Windspiel anzubringen, um mitzubekommen, wenn die Haustür geöffnet wird. Auch spezielle Matten an der Tür können ein Signal geben, sobald jemand das Haus oder einen Raum verlassen will. Außerdem sollte man gemeinsam nach einer Ursache für die Unruhe suchen. Vielleicht fühlt sich die Person körperlich nicht wohl, hat Hunger, Durst oder muss zur Toilette? Ein Ortswechsel oder Beschäftigung reduzieren möglicherweise Langeweile und den Bewegungsdrang. Zur Beschäftigung eignen sich zum Beispiel Haushaltstätigkeiten, die aber nicht überfordern sollten.
- Aggressionen: Wenn sich die pflegebedürftige Person aggressiv verhält, ist es wichtig, selbst ruhig zu bleiben und nicht bedrohlich aufzutreten. Man sollte nicht widersprechen oder schimpfen, da das die Aggressionen verstärken kann. Das Ziel ist, die Person zu beruhigen, beispielsweise durch Berührungen, Musik oder andere Ablenkungen. Manchmal hilft es auch, Abstand zu halten.
- Gefahren reduzieren: Gerade bei der Pflege zu Hause ist es wichtig, das Umfeld so sicher wie möglich zu gestalten. Je nach Situation sollten Angehörige Gesundheitsgefahren wie scharfe Messer oder Putzmittel beseitigen oder sicher verwahren.
- Herausziehen von Zugängen: Zugänge wie Katheter für Medikamente sollten möglichst unter der Kleidung versteckt und gut befestigt werden.
Weitere Informationen dazu, wie man die Sicherheit in der Wohnung insbesondere für Menschen mit Demenz verbessern kann, erhalten Sie im Artikel Demenzgerechtes Wohnen.
Es ist sinnvoll, sich als Angehörige gut über die Erkrankungen der pflegebedürftigen Person zu informieren. Bei Ärztinnen und Ärzten sowie bei Pflegepersonal kann man sich zudem erkundigen, welche Faktoren bestimmte Krankheitssymptome begünstigen. Beispielsweise kann ein niedriger Blutdruck zu Schwindel führen und dadurch Stürze begünstigen. Um Stürze zu vermeiden, müssen dann auch die Blutdruck-Medikamente angepasst werden.
Überforderung oder Stress auf Seiten der Pflegenden können ebenfalls Gründe für die Anwendung von freiheitsbeschränkenden Maßnahmen oder anderen Formen von Gewalt in der häuslichen Pflege sein. Daher ist es wichtig, Angebote zur Unterstützung auszuschöpfen, insbesondere wenn die pflegende Person selbst belastet oder schon älter ist. Beratungen und Schulungen können helfen, die pflegerischen Aufgaben zu erleichtern. Auch Handlungssicherheit durch Pflegewissen kann Überforderung reduzieren. Möglicherweise sind die verschiedenen Leistungen der Pflegeversicherung hilfreich, um pflegende Angehörige zu entlasten. Bei allen Fragen zur Pflege und auch zu freiheitsentziehenden Maßnahmen selbst kann man sich an eine Pflegeberatung wenden.
Über die Datenbank des Zentrums für Qualität in der Pflege (ZQP) ist es möglich, nach örtlichen Beratungsstellen zu suchen.
Weitere Tipps, wie Sie freiheitsbeschränkende Maßnahmen und andere Formen von Gewalt in der Pflege vermeiden, erhalten Sie in der Broschüre „Gewalt vorbeugen“ des Zentrums für Qualität in der Pflege (ZQP).
Weitere Hinweise zur Vermeidung von Stürzen finden Sie beim Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP) und auf gesundheitsinformation.de.
Wie kann man freiheitsbeschränkende Maßnahmen in der professionellen Pflege erkennen und ihnen vorbeugen?
In Pflegeheimen und ambulanten Pflegediensten spielt Wissen über Risiken von freiheitsbeschränkenden Maßnahmen und zur rechtlichen Situation eine große Rolle. Auch eine klare Haltung innerhalb der Pflegeeinrichtung und auf Seiten der Leitung sind wichtig, um den Einsatz solcher Maßnahmen wann immer möglich zu vermeiden. Ein Konzept zur Vermeidung von Gewalt in der Einrichtung sowie Schulungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter helfen dabei, freiheitsbeschränkenden Maßnahmen vorzubeugen.
Wenn man als Angehöriger das Gefühl hat, dass in der Pflegeeinrichtung freiheitsbeschränkende Maßnahmen unkritisch eingesetzt werden, sollte man zunächst das Gespräch mit den Pflegekräften suchen. Man kann auch gezielt danach fragen, welche Strategien es zur Vermeidung von freiheitsentziehenden Maßnahmen in der Einrichtung gibt.
Unser Artikel Mangelhafte Pflegeversorgung: An wen kann ich mich wenden? gibt viele weitere Hinweise, wie man in solchen Fällen vorgehen kann.
Ist man auf der Suche nach einem Pflegeheim, können Qualitätsberichte eine gute Orientierung über die Pflegequalität in der Einrichtung geben. In diese Berichte fließt auch ein, ob und wie häufig in der Einrichtung freiheitsbeschränkende Maßnahmen angewendet werden.
Auf folgenden Portalen können Sie direkt nach den Qualitätsberichten bestimmter Einrichtungen suchen:
Pflegenavigator des AOK-Bundesverbandes
Pflegelotse des Verbandes der Ersatzkassen (vdek)
PflegeFinder der Betriebskrankenkassen (BKK)
Wo kann man sich noch über freiheitsbeschränkende Maßnahmen informieren?
Weiterführende Informationen dazu, wie sich freiheitsbeschränkende Maßnahmen vermeiden lassen, finden Sie auf der Webseite des Zentrums für Qualität in der Pflege (ZQP).
Informationen für pflegende Angehörige
Informationen für Pflegepersonal
Zum Thema freiheitsbeschränkende Maßnahmen gibt es zahlreiche Broschüren, mit denen sich Angehörige, Betreuerinnen und Betreuer sowie Ärztinnen und Ärzte weiter informieren können.
„Es geht auch anders!“ des Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie Rheinland-Pfalz
„Mehr Freiheit wagen!“ der Initiative zur Begrenzung freiheitseinschränkender Maßnahmen in der Altenpflege
„Freiheitserhaltende und freiheitsentziehende Maßnahmen bei pflegebedürftigen Menschen“ der Überörtlichen Arbeitsgemeinschaft für das Betreuungswesen in Nordrhein-Westfalen
Auf dem Justizportal des Justizministeriums Nordrhein-Westfalen können Sie sich zu weiteren Projekten informieren, die sich die Vermeidung von freiheitsbeschränkende Maßnahmen zum Ziel gesetzt haben.
- Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit und Pflege. Verantwortungsvoller Umgang mit freiheitsentziehenden Maßnahmen in der Pflege Leitfaden des Bayerischen Landespflegeausschusses. Stand Juli 2015. Aufgerufen am 12.02.2025.
- Bundesverband für körper- und mehrfachbehinderte Menschen e.V. (Hrsg.). Freiheitsentziehende Maßnahmen bei Kindern in Einrichtungen. Merkblatt zur neuen richterlichen Genehmigungspflicht. 01/2018.
- Köpke S, Möhler R, Abraham J, Henkel A, Kupfer R, Meyer G. Leitlinie FEM - Evidenzbasierte Praxisleitlinie Vermeidung von freiheitseinschränkenden Maßnahmen in der beruflichen Altenpflege. 1. Aktualisierung 2015, 2. Auflage. Universität zu Lübeck & Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, 2015.
- Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS). Qualität in der ambulanten und stationären Pflege. 6. Pflege-Qualitätsbericht des MDS nach § 114A Abs. 6 SGB XI. 12/2020.
- Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie. Empfehlungen für den Umgang mit freiheitsentziehenden Maßnahmen (FEM) in der stationären Pflege. 03/2016.
- Zentrum für Qualität in der Pflege (ZPQ). Gewalt vorbeugen. Praxistipps für den Pflegealltag. 7. Auflage. 2024.
- Zentrum für Qualität in der Pflege (ZPQ). Prävention von freiheitsentziehenden Maßnahmen. Aufgerufen am 12.02.2025.
Geprüft durch die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen
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