Autismus

Als Autismus oder Autismus-Spektrum-Störungen werden Entwicklungsstörungen bezeichnet, die die Fähigkeiten zur Kommunikation und im sozialen Miteinander beeinträchtigen. Verhaltensorientierte Therapiemaßnahmen können die Selbstständigkeit von Menschen mit Autismus unterstützen und fördern.

Auf einen Blick

  • Autismus ist eine angeborene Entwicklungsstörung, die unterschiedlich ausgeprägt sein kann.
  • Autismus ist gekennzeichnet durch Schwierigkeiten im sozialen Miteinander (soziale Interaktion) und in der Ausdrucksfähigkeit (Kommunikation).
  • Typisch sind außerdem Verhaltensweisen, die von Wiederholungen und Mustern geprägt sind.
  • Es gibt keine medizinischen Therapien, um die Entwicklungsstörung Autismus zu heilen.
  • Es gibt aber verschiedene Maßnahmen, die die sozialen und kommunikativen Fähigkeiten von Menschen mit Autismus verbessern können.

Hinweis: Die Informationen dieses Artikels können und sollen einen Arztbesuch nicht ersetzen und dürfen nicht zur Selbstdiagnostik oder -behandlung verwendet werden.

Kind lehnt an einer Fensterscheibe und guckt verträumt.

Was ist Autismus?

Autismus entsteht durch eine Entwicklungsstörung im Gehirn und kann sehr unterschiedlich ausgeprägt sein. Fachleute haben Autismus lange Zeit in verschiedene Formen eingeteilt: in frühkindlichen Autismus, Asperger-Autismus und atypischen Autismus. Da sich diese jedoch nicht immer klar voneinander abgrenzen lassen, wird zunehmend nur noch von der Autismus-Spektrum-Störung (ASS) gesprochen. Häufig wird der Fachbegriff auch mit „Autismus-Spektrum“ abgekürzt.

Menschen mit Autismus nehmen die Welt auf ihre eigene Weise wahr. Es fällt ihnen schwerer, die Gefühle und Bedürfnisse anderer Menschen zu verstehen und ihre Gedanken und Gefühle auszudrücken. Dadurch ist es für sie schwieriger, mit anderen Menschen in Beziehung zu treten. Mit der richtigen Unterstützung können sie dennoch ein zufriedenes Leben führen und an der Gesellschaft teilhaben. 

Menschen mit Autismus sind sehr unterschiedlich: Manche können gut für sich selbst sorgen und leben selbstständig – auch wenn einige in bestimmten Bereichen Unterstützung benötigen. Viele sind aber stärker beeinträchtigt und auf umfassende Hilfe angewiesen. 

Welche Symptome treten bei Autismus auf?

Das Autismus-Spektrum ist vielfältig. Kennzeichnend für Autismus sind drei Kernmerkmale:

  • Probleme im sozialen Miteinander
  • Schwierigkeiten mit Kommunikation und Sprache
  • sich wiederholende (stereotype) Verhaltensmuster
Eine Autismus-Spektrum-Störung zeigt sich vor allem durch Probleme im sozialen Miteinander, Sprachschwierigkeiten und Verhaltensroutinen.

Schwierigkeiten im sozialen Miteinander (soziale Interaktion)

Menschen mit Autismus wirken oft abwesend, in sich gekehrt und suchen seltener Blickkontakt. Manche sind auch sehr kontaktfreudig, aber verhalten sich dabei für Außenstehende mitunter ungewöhnlich. Denn Menschen mit Autismus können sich nicht so gut in andere hineindenken. Das erschwert es ihnen, mit anderen Menschen umzugehen und Beziehungen aufzubauen. Sie deuten Kommunikation eher fehl und nehmen Mehrdeutigkeiten und Ironie nicht gut wahr. In vielen Situationen reagieren sie ungewöhnlich – zum Beispiel, indem sie auf Gefühlsäußerungen ihres Gegenübers nicht eingehen.

Kommunikationsprobleme

Manche Menschen mit Autismus lernen später und schlechter sprechen oder sprechen gar nicht mit anderen. Sie verwenden auch weniger Gesten, um anderen etwas mitzuteilen. Ihre Sprachmelodie ist monotoner. Manche wiederholen ständig bestimmte Begriffe und Sätze oder sprechen das nach, was andere sagen. Andere wiederum sprechen sehr genau und ausgefeilt.

Stereotypes und repetitives Verhalten

Menschen mit Autismus neigen dazu, einige Verhaltensweisen ständig zu wiederholen, zum Beispiel mit den Armen zu wedeln oder Dinge stets auf eine ganz bestimmte Art zu erledigen. Sie interessieren sich oft nur für wenige oder ungewöhnliche Dinge, dafür aber sehr intensiv.

Flexibilität und Spontaneität fallen ihnen schwer. Routinen und verlässliche Abläufe sind für sie sehr wichtig. Außerdem reagieren sie manchmal besonders empfindlich oder auch unempfindlich auf äußere Reize wie Geräusche, Gerüche oder Berührungen.

Wichtig zu wissen: Wann und in welcher Ausprägung diese Kernsymptome auftreten, ist individuell sehr unterschiedlich. Bei manchen Menschen sind bestimmte Merkmale auch gar nicht vorhanden.

Neben den genannten Merkmalen können bei Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen eine Reihe von weiteren Beeinträchtigungen auftreten.

Dazu gehören beispielsweise:

Es kann auch zu herausforderndem Verhalten wie Selbstverletzung, starken Wutanfällen und Aggressionen kommen – dies ist meist ein Zeichen dafür, dass Menschen mit Autismus überfordert sind oder sich missverstanden fühlen. 

Etwa die Hälfte der Menschen mit Autismus ist intellektuell beeinträchtigt. Die andere Hälfte ist normal bis sehr intelligent, hochbegabt sind aber nur wenige.

Welche Ursachen hat Autismus?

Autismus ist angeboren und die Folge einer Entwicklungsstörung des Gehirns. Die genauen Ursachen von Autismus sind noch nicht geklärt. Es sind jedoch einige Faktoren bekannt, die das Risiko für eine Autismus-Spektrum-Störung erhöhen können.

Welche Faktoren fördern die Entwicklung von Autismus?

Genetische, also vererbte Faktoren sowie bestimmte Ereignisse während der Schwangerschaft erhöhen das Risiko, eine Autismus-Spektrum-Störung zu entwickeln.

Vererbte Faktoren

Die genetische Veranlagung hat einen starken Einfluss. Bei Eltern mit Autismus ist die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass ihre Kinder ebenfalls Autismus haben. Wenn Eltern bereits ein Kind mit Autismus haben, ist zudem die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass ein zweites Kind ebenfalls Autismus hat – sie liegt dann im Durchschnitt bei 10 bis 20 %. Das individuelle Risiko hängt wiederum vom genetischen Auslöser ab. Mit zunehmendem Alter von Mutter und Vater steigt das Risiko, dass sie ein Kind mit Autismus bekommen. Dies liegt vor allem daran, dass genetische Veränderungen mit dem Alter häufiger werden.

Einflüsse während der Schwangerschaft

Komplikationen während der Schwangerschaft können eine Rolle spielen. Dazu gehört insbesondere eine Infektion mit Rötelnviren oder eine Frühgeburt. Nehmen Schwangere bestimmte Medikamente zur Behandlung von Epilepsie ein (vor allem den Wirkstoff Valproinsäure), erhöht dies das Risiko ebenfalls.

Wichtig zu wissen: Autismus wird weder durch Impfungen noch durch die Erziehung der Eltern ausgelöst. Dies wird gelegentlich behauptet, ist wissenschaftlich jedoch widerlegt.

Wie häufig ist Autismus?

Etwa 1 von 100 Menschen in Deutschland hat eine Autismus-Spektrum-Störung. Bei Jungen und Männern wird Autismus doppelt so häufig festgestellt wie bei Mädchen und Frauen. 

In den letzten Jahrzehnten ist die Zahl der Menschen mit Autismus deutlich gestiegen. Dies liegt vor allem daran, dass mehr Menschen als früher die Diagnose erhalten. Ob Autismus grundsätzlich häufiger vorkommt als früher, ist unklar.

Wie verläuft Autismus?

Autismus bleibt in der Regel ein Leben lang bestehen. Er kann jedoch sehr unterschiedlich verlaufen. Häufig nehmen die typischen Symptome im Laufe der Jahre ab oder verändern sich. Einzelne Merkmale können sich auch vorübergehend oder dauerhaft verstärken. Viele Kinder und Jugendliche lernen mit der Zeit aber, besser zu kommunizieren und mit anderen Menschen umzugehen.

Manchmal zeigen sich Auffälligkeiten schon sehr früh, im Alter von 1 bis 2 Jahren. Manche Menschen leben aber auch viele Jahre oder Jahrzehnte mit Autismus, ohne dass er erkannt wird. 

Es ist möglich, dass frühe Anzeichen von Autismus bei Kindern mit der Zeit verschwinden – oder sich andere Ursachen herausstellen. Dies betrifft vor allem Kinder mit weniger auffälligen Ausprägungen. Es kann aber auch sein, dass sich Kinder in den ersten Lebensjahren normal entwickeln und erst später Autismus-typische Symptome zeigen.

Viele Menschen mit Autismus brauchen ein Leben lang intensive Unterstützung. Manche können selbstständig leben, einem Beruf nachgehen und eine Familie gründen. Aber auch sie brauchen manchmal Hilfe bei Herausforderungen im Alltag. Mit der Zeit gelingt es vielen, besser mit dem Autismus umzugehen. 

Wie wird Autismus diagnostiziert?

Wenn das eigene Kind sich auffällig verhält, kann das Eltern sehr verunsichern. Die Kinder- und Jugendarztpraxis ist dann eine gute erste Anlaufstelle – auch im Rahmen der regelmäßigen U-Untersuchungen. Bei Bedarf wird an eine spezialisierte Einrichtung überwiesen. Erwachsene können sich zunächst an ihre Hausarztpraxis wenden. Es ist auch möglich, sich direkt an eine psychotherapeutische oder psychiatrische Praxis zu wenden.

Autismus kann nur von Fachärztinnen und Fachärzten für Psychiatrie und Psychotherapie oder von Psychotherapeutinnen oder Psychotherapeuten diagnostiziert werden. Bei Kindern und Jugendlichen sollten es Fachleute sein, die auf diese Altersgruppe spezialisiert sind. Die Diagnostik selbst ist sehr umfangreich und zeitaufwendig. Denn es ist wichtig, genau hinzuschauen und andere Ursachen auszuschließen.

Zu den Untersuchungen gehören:

  • Gespräche mit Kind und Eltern
  • ausführliche Befragung der Eltern mit speziellen Fragebögen
  • Verhaltensbeobachtung im Umgang mit anderen Menschen oder beim Spielen
  • Entwicklungstests, vor allem der Intelligenz und Sprache 
  • medizinische Untersuchungen

Dafür sind mehrere Termine nötig. Oft wird die Entwicklung des Kindes eine Zeit lang beobachtet, bevor eine Diagnose gestellt wird. Eine Diagnose kann ab dem zweiten Lebensjahr möglich sein. In welchem Alter eine verlässliche Diagnose möglich ist, hängt aber unter anderem davon ab, wie deutlich die Auffälligkeiten sind und wie sie sich entwickeln.

Bei Erwachsenen ist die Diagnostik ähnlich umfangreich. Die Diagnose ist meist schwieriger, da die Symptome oft nicht so eindeutig sind wie bei Kindern. Viele Erwachsene haben mit der Zeit gelernt, bestimmte Merkmale zu unterdrücken, um nicht aufzufallen – dies wird „Masking“ genannt. Außerdem können andere Erkrankungen ähnliche Symptome wie Autismus haben, zum Beispiel Persönlichkeits- oder Angststörungen.

Es kann sinnvoll sein, die Diagnose im Laufe der Jahre zu überprüfen. Dies gilt insbesondere für Kinder, bei denen die Merkmale weniger deutlich sind. Zudem überprüfen Ärztinnen und Ärzte regelmäßig, wie sich das Kind insgesamt entwickelt. 

Ausführliche Informationen zu den Untersuchungen finden Sie auf gesundheitsinformation.de.

Ein Junge lehnt sich mit der Stirn an eine erleuchtete Wassersäule.

Wie behandelt man Autismus?

Bei Autismus-Spektrum-Störungen handelt es sich um Entwicklungsstörungen, die die gesamte Lebensführung beeinflussen. Dies kann für Menschen mit Autismus und ihre Familien häufig sehr belastend sein.

Allgemein soll eine Behandlung:

  • die Lebensqualität verbessern
  • die gesellschaftliche Teilhabe fördern
  • die Selbstständigkeit und Unabhängigkeit von Menschen mit Autismus fördern

In welchem Maß dies gelingt, hängt wesentlich von der individuellen Ausprägung des Autismus, vom Zeitpunkt des Therapiebeginns und dem Umfang der Unterstützung ab. 

Bei Kindern wird nach der Diagnose ein individueller Behandlungsplan erstellt. Dieser kann folgende Elemente enthalten:

  • Verhaltenstherapie, einschließlich sozialem Kompetenztraining
  • Logopädie
  • Ergotherapie
  • Information und Beratung (Psychoedukation)

Für Kinder bis zum Schuleintritt wird eine verhaltenstherapeutische Frühförderung angeboten, die spezifisch auf Autismus ausgerichtet ist. Die Eltern werden in die Behandlung einbezogen und erhalten ebenfalls Unterstützung. Auch Erwachsene mit Autismus können eine Psychotherapie in Anspruch nehmen.

Eine Behandlung kann die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen verbessern und die Ausprägung mildern. Sie kann auch helfen, besser mit Autismus umzugehen und die Stärken des Kindes zu fördern. Bei Jugendlichen und Erwachsenen geht es eher darum, den Autismus als Teil der eigenen Identität zu akzeptieren und das Alltagsleben daran anzupassen. Auch die Behandlung von Begleiterkrankungen kann eine wichtige Rolle spielen.

Wichtig zu wissen: Autismus selbst ist mit Medikamenten weder behandelbar noch heilbar. Medikamente können aber gelegentlich infrage kommen, um herausforderndes oder belastendes stereotypes Verhalten zu lindern. Auch Begleiterkrankungen wie ADHS, Schlafstörungen, Angst- und Zwangsstörungen, depressive Episoden oder Epilepsie lassen sich mit Medikamenten behandeln.

Welche Auswirkungen hat Autismus auf den Alltag?

Autismus kann sich sehr unterschiedlich auf das eigene Leben und das der Familie auswirken. Menschen mit Autismus fällt es schwerer, Kontakte zu knüpfen, und sie werden oft missverstanden. Sie haben häufiger Schwierigkeiten, einen Beruf auszuüben oder Beziehungen einzugehen. Manche Menschen mit Autismus sind so stark eingeschränkt, dass sie viel Hilfe im Alltag benötigen. Andere führen dagegen ein selbstständiges Leben, haben einen Beruf, gründen eine Familie und kommen gut zurecht. Wie stark sich der Autismus auswirkt, hängt ab von der individuellen Ausprägung, von bestehenden geistigen Beeinträchtigungen, aber auch von den konkreten Lebensumständen und dem persönlichen Umfeld.

Folgende Unterstützungsleistungen gibt es:

Die meisten Behandlungs- und Unterstützungsleistungen werden von der Eingliederungshilfe und nicht von den Krankenkassen bezahlt. Die Eingliederungshilfe wird beim Jugend- oder Sozialamt beantragt. 

Ausführliche Informationen zu Hilfe und Unterstützung stehen auf gesundheitsinformation.de zur Verfügung.

Allgemeine Informationen zur Unterstützung für pflegebedürftige Kinder und Jugendliche finden Sie auch in unserem Artikel zu diesem Thema.

Wo finde ich Unterstützung bei Autismus?

Elterninitiativen und Selbsthilfegruppen bieten Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen und ihren Angehörigen die Möglichkeit, sich zu informieren und beraten zu lassen sowie persönliche Erfahrungen auszutauschen.

Kontaktadressen findet man bei Autismus Deutschland e.V. und Aspies e.V.

In Zusammenarbeit mit dem Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG).

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