Chronische Schmerzen
ICD-Codes: R52.1 R52.2 F45.41 Was ist der ICD-Code?
Chronische Schmerzen können das Leben schwer machen. Nicht immer lässt sich die Ursache beseitigen. Die Therapie setzt auf mehreren Ebenen an und hat das Ziel, die Schmerzen zu verringern und die Lebensqualität zu verbessern.
Auf einen Blick
- Von chronischen Schmerzen spricht man, wenn sie länger als 3 bis 6 Monate anhalten.
- Sie entstehen unter anderem durch eine Fehlfunktion des Nervensystems oder chronische Entzündungen.
- Chronische Schmerzen wirken in alle Lebensbereiche hinein und können den Alltag sehr belasten.
- Dass Schmerzen chronisch werden, lässt sich vermeiden, indem man akute Schmerzen von Anfang an wirksam behandelt.
- Die Behandlung setzt auf mehreren Ebenen an und berücksichtigt die psychische und soziale Situation der zu behandelnden Person.
Hinweis: Die Informationen dieses Artikels können und sollen einen Arztbesuch nicht ersetzen und dürfen nicht zur Selbstdiagnostik oder -behandlung verwendet werden.
Was sind chronische Schmerzen?
Schmerzen sind einer der häufigsten Gründe, warum Menschen ärztlichen Rat einholen. Man spricht von chronischen Schmerzen, wenn:
- sie länger als 3 bis 6 Monate anhalten oder
- nach einer Verletzung Schmerzen bestehen bleiben, obwohl die Verletzung abgeheilt ist
Schmerzen werden individuell sehr unterschiedlich wahrgenommen und können durch soziale und psychische Faktoren beeinflusst werden.
Chronische Schmerzen wirken in alle Lebensbereiche hinein und beeinträchtigen die Lebensqualität. Menschen mit chronischen Schmerzen entwickeln häufig Ängste, depressive Verstimmungen oder Schlafstörungen.
Das kann sich negativ auf das Schmerzempfinden und die Schmerzverarbeitung auswirken und die Schmerzen weiter verschlimmern.
Am besten wirkt daher eine Therapie, die neben verschiedenen Medikamenten auch die psychische und soziale Situation der betroffenen Person berücksichtigt.
Wichtig zu wissen: Eine wirksame Behandlung akuter Schmerzen kann der Entstehung chronischer Schmerzen vorbeugen. Nach Operationen ist das besonders wichtig.
Wie machen sich chronische Schmerzen bemerkbar?
Schmerzen äußern sich sehr unterschiedlich.
Schmerzen an inneren Organen fühlen sich eher dumpf, tiefliegend oder krampfartig an. Oft kann man nicht sagen, wo genau es wehtut.
Schmerzen des Bewegungsapparats sind oft stechend, ziehend oder brennend und lassen sich besser lokalisieren.
Schmerzen, die durch Schäden an den Nerven entstehen, können einschießen, anfallsartig auftreten, mit Kribbeln und Taubheitsgefühlen einhergehen oder zu Überempfindlichkeit führen.
Besonders ältere Menschen haben manchmal Schwierigkeiten, ihre Schmerzen zu beschreiben. Oft sprechen sie von „unangenehmen“ Gefühlen oder Beschwerden.
Menschen mit Erkrankungen wie Demenz können Schmerzen oft gar nicht in Worte fassen. Anzeichen für Schmerzen sind dann zum Beispiel:
- ein schmerzhaft verzogenes Gesicht
- Jammern und Stöhnen
- Schutzhaltung der schmerzhaften Region
- angestrengte Atmung
- Verwirrtheit
Welche Ursachen haben chronische Schmerzen?
Chronische Schmerzen entstehen unter anderem durch eine Fehlfunktion des Nervensystems, eine gestörte Schmerzverarbeitung oder chronische Entzündungen.
Erkrankungen, die häufig mit chronischen Schmerzen einhergehen, sind:
Unterschiedliche Ursachen können verschiedene Arten von Schmerz erzeugen:
- nozizeptiver Schmerz: Die Schmerzsignale gehen von den Nozizeptoren aus – Strukturen, die eine wichtige Rolle in der Schmerzwahrnehmung spielen. Auslöser sind beispielsweise Verletzungen, Verbrennungen, Nierensteine oder ein Herzinfarkt.
- entzündlicher Schmerz: Er ist Folge einer Entzündung im Gewebe, da Entzündungsbotenstoffe die Schmerzrezeptoren reizen. Auslöser sind Infektionen oder Autoimmunerkrankungen.
- neuropathischer Schmerz: Er resultiert aus einer direkten Schädigung der Nerven. Auslöser sind Verletzungen von Nerven, Schädigungen der Nervenwurzeln, Stoffwechselstörungen wie Diabetes, Zellgifte wie Alkohol, oder viral bedingte Erkrankungen wie Gürtelrose.
- zentraler Schmerz: Er entsteht durch eine veränderte Schmerzverarbeitung im Gehirn oder Rückenmark. Das Gehirn erzeugt dann Schmerzen, obwohl kein organischer Schaden vorliegt. Sie treten beispielweise auf bei Fibromyalgie, Reizdarm oder chronischen Schmerzen im Becken.
Schmerzen können sich verselbstständigen. Sie bleiben dann bestehen, obwohl der eigentliche Auslöser gar nicht mehr da ist. Außerdem können langanhaltende Schmerzen Nerven empfindlicher machen, sodass sie Schmerzreize früher und schneller weiterleiten. Durch neue Nervenverknüpfungen kann dann ein „Schmerzgedächtnis“ entstehen.
Darüber hinaus kann andauernder Stress dazu führen, dass man Schmerzen eher oder stärker wahrnimmt.
Welche Faktoren begünstigen chronische Schmerzen?
Es gibt einige Faktoren, die das Risiko für chronische Schmerzen erhöhen. Dazu zählen:
- erbliche Veranlagung
- eine vorausgegangene akute Schmerztherapie, die nicht ausreichend geholfen hat
- psychische Erkrankungen wie eine Depression oder eine posttraumatische Belastungsstörung
- nachteilige soziale Umstände
- höheres Alter
- Langzeitgebrauch von Schmerzmitteln, vor allem von Opioiden
- Missbrauch von Alkohol und Drogen
Wie häufig sind chronische Schmerzen?
Ungefähr 3 von 10 Menschen in den Industrieländern berichten über mäßige bis starke Schmerzen, die länger als 6 Monate anhalten.
Unter älteren Menschen klagen mehr als 40 von 100 über chronische Schmerzen. Die häufigsten Ursachen sind dabei Gelenk- und Rückenschmerzen.
Auch Kinder können chronische Schmerzen haben.
Welche Folgen können chronische Schmerzen haben?
Die Lebensqualität von Menschen mit chronischen Schmerzen bleibt häufig bis zu einem gewissen Grad eingeschränkt. Zwar hilft die Therapie, Schmerzen zu lindern, vollständig beseitigen lassen sie sich aber oft nicht.
In der Regel reicht ein einziges Medikament nicht aus, damit die Schmerzen weniger werden. Deshalb nehmen die Patientinnen und Patienten mehrere verschiedene Substanzen oft in steigender Dosierung ein. Dadurch treten häufig Nebenwirkungen auf.
Zu viel Paracetamol beispielsweise kann zu schweren Leberschäden führen. Bei einer regelmäßigen Einnahme von starken Schmerzmitteln wie Opioiden kann es zu einer Medikamentenabhängigkeit kommen.
Zudem ist es möglich, Opioide überzudosieren, was die lebenswichtige Atmung unterdrückt. Manchmal kommt es auch zu überempfindlichen Schmerzzuständen infolge der Opioid-Einnahme.
Wie kann man chronische Schmerzen diagnostizieren?
Grundsätzlich ist es zunächst wichtig, die genaue Ursache für Schmerzen zu finden. Dazu dienen bildgebende Verfahren wie Röntgen, Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT). Auch bestimmte Blutwerte geben Hinweise auf die Ursache.
Manchmal werden Nervenblockaden oder Messungen der Nervenleitgeschwindigkeit zur Diagnose eingesetzt.
Allerdings lässt sich selbst bei starken Schmerzen nicht immer ein Auslöser finden.
Für die Behandlung ist es wesentlich, die Schmerzen genau lokalisieren und einschätzen zu können. Dafür wird die Ärztin oder der Arzt gezielte Fragen stellen, zum Beispiel:
- Wann und wo sind die Schmerzen aufgetreten?
- Wie fühlen sich die Schmerzen an?
- Wie stark sind die Schmerzen auf einer Skala von 1 bis 10?
- Wie wirken sich die Schmerzen auf Alltagsaktivitäten aus?
In einer körperlichen Untersuchung stellen Ärztinnen und Ärzte mögliche Einschränkungen der Körperfunktionen fest. Mit Fragen nach Stimmung, Schlafqualität, familiären oder beruflichen Belastungen informieren sie sich über Begleitumstände, die das Schmerzempfinden beeinflussen oder sich durch die chronischen Schmerzen verändern können.
Wie werden chronische Schmerzen behandelt?
Sofern möglich, sollten chronische Schmerzen multimodal behandelt werden – also nicht nur auf ärztlicher Ebene, sondern auch im Bereich der Psycho-, Physio- und Ergotherapie. Ideal ist es, wenn die Behandlung bei Expertinnen und Experten für Schmerztherapie erfolgt. Für chronisch erkrankte Menschen ist außerdem eine sozialmedizinische Beratung hilfreich.
Nicht medikamentöse Therapien
- verhaltenstherapeutische Beratung: Sie dient dazu, einen besseren Umgang mit den Schmerzen zu finden und einen guten Schlaf zu fördern.
- körperliche Aktivität und Bewegungsübungen: unter physiotherapeutischer Anleitung, um die Körperfunktionen zu verbessern und Schmerzen zu reduzieren
- Akupunktur: sowohl bei örtlich (lokal) begrenzten Schmerzen als auch bei Schmerzen im ganzen Körper
- Ernährungsberatung und Gewichtsabnahme: falls Übergewicht bei der Schmerzentstehung eine Rolle spielt
- Hilfsmittel wie Gehhilfen, Schienen oder orthopädische Schuhe
- periphere Nervenstimulation: Durch sanfte elektrische Impulse wird die Schmerzwahrnehmung vermindert. Für eine dauerhafte Stimulation ist ein kleiner Eingriff nötig.
Medikamentöse Therapien
- Spritzen mit örtlichen Betäubungsmitteln oder Salben und Gele mit entzündungshemmenden Schmerzmitteln bei lokalen Schmerzen
- Antidepressiva, auch wenn keine Depression vorliegt, da sie die Schmerzempfindung beeinflussen können. Je nach Medikament kann es sein, dass sich eine Schmerzlinderung erst nach einigen Wochen bemerkbar macht.
- Epilepsie-Medikamente (Antiepileptika) bei Nervenschmerzen aufgrund einer Schädigung der Nerven
- muskelentspannende Medikamente, wenn Schmerzen im Zusammenhang mit Muskelverkrampfungen auftreten
- Antientzündliche Schmerzmittel aus der Gruppe der nicht steroidalen Antirheumatika (NSAR) wie Ibuprofen oder Paracetamol sollten nur bei akutem Aufflackern der Schmerzsymptome eingenommen werden. Es kann sinnvoll sein, verschiedene Schmerzmittel auszuprobieren, da sie individuell unterschiedlich gut wirken.
- Starke Schmerzmittel wie Opioide oder Medikamente, die im Gehirn die Schmerzverarbeitung beeinflussen, zum Beispiel Beruhigungsmittel aus der Gruppe der Benzodiazepine, sollte man nur vorübergehend einnehmen.
Wichtig zu wissen: Eine Langzeittherapie mit Opioiden ist nur in Betracht zu ziehen, wenn sich organische Schmerzursachen nicht beseitigen lassen und alle bisherigen Behandlungen nicht erfolgreich waren. Insbesondere bei Schmerzen des Bewegungsapparats wirken Opioide langfristig nicht besser als andere Schmerzmittel.
Welche Therapiemaßnahmen ergriffen werden, entscheidet man am besten immer gemeinsam mit der Ärztin oder dem Arzt. Für eine zufriedenstellende Behandlung chronischer Schmerzen sind Geduld und ein vertrauensvolles Arzt-Patienten-Verhältnis wesentlich.
Wie geht man mit chronischen Schmerzen im Alltag um?
Chronische Schmerzen erfordern eine langfristige Therapie. Oft werden sie zeitweise besser und flammen hin und wieder auf.
Für Menschen mit chronischen Schmerzen ist es wichtig, mit den Beschwerden im Alltag umgehen zu lernen: also zu erfahren, wie sie ihre Schmerzen selbst beeinflussen und kontrollieren können.
Dabei können sowohl ärztliches und therapeutisches Fachpersonal unterstützen als auch Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen.
Auf der Website der Nationalen Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen (NAKOS) können Sie über eine Datenbank geeignete Selbsthilfe-Angebote finden.
Wo finde ich weitere Informationen zu chronischen Schmerzen?
Weiterführende Informationen zu chronischen Schmerzen finden Sie auf der Website der Deutschen Gesellschaft für psychologische Schmerztherapie und -forschung e.V. und der Deutschen Schmerzgesellschaft e.V.
Gebündelte Informationen zu verschiedenen Schmerz-Erkrankungen und Antworten auf häufige Fragen bietet die Website der Deutschen Hirnstiftung e.V.
- Deutsche Schmerzgesellschaft e.V. Langzeitanwendungen von Opioiden bei chronischen nicht-tumorbedingten Schmerzen (LONTS). S3-Leitlinie. AWMF-Registernummer 145-003. 2. Aktualisierung. 2020.
- Dydyk AM, Conermann T. Chronic Pain. [Updated 2021 Nov 11]. In: StatPearls (Internet). Treasure Island (FL): StatPearls Publishing. 2022 Jan-. Aufgerufen am 30.10.2022.
- DynaMed [Internet], Ipswich (MA). Chronic Pain in Older Adults; EBSCO Information Services. Aufgerufen am 30.10.2022.
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- Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Chronische Schmerzen verstehen. gesundheitsinformation.de. Aufgerufen am 30.10.2022.
- UpToDate (Internet). Approach to the management of chronic non-cancer pain in adults. Wolters Kluwer 2022. Aufgerufen am 30.10.2022.
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Geprüft durch die Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN).
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